S-S-Lernen, R-R-Lernen, R-S-Lernen: Alternative oder komplementäre Mechanismen beim impliziten seriellen Lernen?

Michael Zießler

Institut für Psychologie, Humboldt-Universität zu Berlin
Oranienburger Straße 18, 10178 Berlin
E-Mail: ziessler@rz.hu-berlin.de

Menschen können Wissen über die Regelhaftigkeit von Reizsequenzen erwerben und für die Steuerung ihrer Reaktionen zu nutzen, selbst wenn sie nicht bewußt nach solchen Regeln suchen. Offen ist, auf welchen Prozessen dieses Lernen beruht. Experimente mit seriellen Wahlreaktionsaufgaben belegen sowohl das Lernen der Reizsequenz (S-S-Lernen) als auch das der Reaktionssequenz (R-R-Lernen). Eigene Arbeiten sprechen für das Lernen von Reaktions-Reiz-Beziehungen (R-S-Lernen). Gelernt wird, welche neuen Reize durch die Reaktionen "erzeugt" werden. Fraglich bleibt, ob R-S-Lernen der entscheidende Mechanismus seriellen Lernens ist, oder lediglich einen weiteren Mechanismus neben S-S- und R-R-Lernen darstellt.
Für Experiment 1 wurden Reizsequenzen mit unterschiedlichen S-S-Beziehungen konstruiert, die bezüglich der R-R-Beziehungen identisch waren. Die R-S-Beziehungen stimmten bei zwei Sequenzen überein und waren für die dritte Sequenz weniger komplex. Die seriellen Lerneffekte (RT-Differenz zwischen Regel- und Zufallsfolge) hingen allein von den R-S-Beziehungen ab, nicht aber von den S-S-Beziehungen. In Experiment 2 wurden relativ zu Experiment 1 weniger komplexe R-R-Beziehungen verwendet. Neben den R-R-Beziehungen waren nun auch die R-S-Beziehungen für alle Sequenzen gleich. Trotz unterschiedlicher S-S-Beziehungen wurden für alle neuen Sequenzen identische Lerneffekte gefunden. Dieses Ergebnis bekräftigt die R-S-Hypothese. Der Vergleich beider Experimente zeigte außerdem eine Wirkung der R-R-Beziehungen: Bei gleichen S-S- und R-S-Beziehungen bewirkten einfachere R-R-Beziehungen größere Lerneffekte. R-R-Lernen ergänzt offenbar das R-S-Lernen, während S-S-Lernen ausgeschlossen werden kann. Als kritischer Test zum Vergleich zwischen R-S- und R-R-Lernen dient Experiment 3, in dem die Reizsequenz so organisiert wird, daß trotz systematischer R-R-Beziehungen keine systematischen R-S-Beziehungen entstehen können. Werden auch unter dieser Bedingung Regellerneffekte gefunden, muß angenommen werden, daß R-S- und R-R-Lernen komplementäre Mechanismen impliziten seriellen Lernens darstellen.

Referat in der Gruppe Implizites Lernen, Montag, 29. März 1999, 14:00, HS 16

Zur Programmübersicht

Zur Liste der Postergruppen, Referategruppen und Symposien

Zurück zur Teap '99-Homepage