Beeinflussen Kleinhirnläsionen die prädiktive Kontrolle von Bewegung?

S. Bestmann, S. Richter, D. Timmann & J. Konczak

Institut für Allgemeine Psychologie der Universität Düsseldorf
Universitätsstrasse , Geb.23.03.00.61, 40225 Düsseldorf
E-Mail: stefanie.richter@uni-duesseldorf.de

Um auf mechanische Perturbationen bei der Bewegungsausführung entsprechend reagieren zu können, muß der Organismus lernen, die Störungskonsequenzen zu antizipieren. Studien an Kleinhirn-lädierten Affen zeigten, daß diese die Vorerwartung von Perturbationen nicht adäquat nutzten. Hier wurde untersucht, ob diese Ergebnisse bei Patienten mit Kleinhirnschädigungen replizierbar sind.
Je acht Kleinhirnpatienten und neurologisch unauffällige Kontrollpersonen führten Unterarmhaltebewegungen aus. Die Unterarmposition wurde den Versuchspersonen auf einem konvexen Schirm angezeigt. Sie sollten eine vorgegebene Zielposition (90° Ellenbogenwinkel) gegen auftretende mechanische Perturbationen halten. Über einen Drehmomentmotor wurde ein Flexordrehmoment (5Nm) mit einer Dauer von 140 oder 1400 ms Dauer appliziert. Kinematik und Elektromyogramm wurden in zwei Bedingungen untersucht: In der Bedingung "mit Antizipation" erwarteten die Versuchspersonen ein bestimmtes Drehmoment (geblockte Darbietung), in der Bedingung "ohne Antizipation" wurden Perturbationen von 1400ms Dauer dargeboten, in die pseudorandomisiert 140ms-Perturbationen eingestreut waren. Analysiert wurden nur die Aufnahmen mit 140ms-Perturbationen. Im Vergleich zur Bedingung "ohne Antizipation" zeigte sich: 1) Alle Kontrollpersonen, aber nur 50% der zerebellären Patienten reduzierten signifikant die Hypermetrie der Rückholbewegung in der Bedingung "mit Antizipation". 2) Diese Reduktion betrug im Mittel beim Kontrollkollektiv 40%, bei den Patienten 20%. 3) Bei den Kontrollpersonen zeigte sich eine Verkürzung der Peak-Latenz des Antagonisten um 20%, bei den Kleinhirnpatienten eine Verkürzung um ca. 4% (Gruppenunterschied signifikant).
Zerebelläre Patienten konnten die Vorinformation über die zu erwartende Störung nicht nutzen, um die Antagonisten-Aktivität früher zu starten und damit die Hypermetrie zu verringern. Dieser Befund ist indirekte Evidenz dafür, daß das Kleinhirn an der Bildung eines prädiktiven, internen Modells der Bewegung beteiligt ist.

Poster in der Gruppe Handlung und Motorik, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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