Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die mentale Repräsentation von Zeitbezügen in ereignisbestimmten Wissensstrukturen des Langzeitgedächtnisses und ihre kontextabhängige Nutzung. Es wurde der Frage nachgegangen, ob in den ereignisbestimmten Wissenstrukturen ein Zeitpfeil verankert ist, d.h. ob die in der Anschauungswelt nachweisbaren zeitliche Vorzugsrichtung bei der Verknüpfung von Ereignissen auch mental kodiert ist. Zur Beantwortung der Frage wurden computergestützte Relationserkennungs-Experimente durchgeführt, die auf dem Priming-Paradigma aufbauen. Den Probanden wurden auf dem Monitor Paare von benannten Ereignisbegriffen dargeboten, und sie hatten schnell und fehlerfrei zu entscheiden, ob zwischen den Paaren ein sinnvoller Zusammenhang besteht. Es wurden der Relationstyp (temporaler vs. sinnleerer Zusammenhang), die Zeitrichtung (prospektiv vs. retrospektiv) und das SOA-Intervall (200 ms vs. 1000 ms) varriert. Als psychologische Variablen wurden die Reaktionszeiten und die Fehlerhäufigkeiten erhoben.
Zur Absicherung und Differenzierung der psychologischen Befunde wurde die Pupillendynamik als ein psychophysiologischer Indikator erfaßt. Die Pupillendynamik bildet die Zeitstruktur und den Verlauf der Informationsverarbeitung ab und ist ein sensibler Indikator für den Schwierigkeitsgrad kognitiver Anforderungen. Die auf diese Weise gewonnenen zusätzlichen Aussagen über die Repräsentation von Zeitbezügen in Wissenstrukturen sind in der psychologischen Theoriebildung zu berücksichtigen.
Die durchgeführten Experimente lassen vermuten, daß die zeitliche Reihenfolge hochtypischer Ereignisse und die zeitliche Vorzugsrichtung stationär im Gedächtnis repräsentiert sind und bei Bedarf autonom aktiviert werden.
Referat in der Gruppe Verarbeitung und Repräsentation zeitlicher Information, Mittwoch, 31. März 1999, 14:30, HS 16
