Referentielle Kontexteffekte beim Verstehen syntaktisch ambiger Saetze

Sigrid Lipka

Institut fuer Sprach-u. Uebersetzungswissenschaft, Abt.Psycholinguistik, Universitaet Leipzig
Augustusplatz 9, 04109 Leipzig
E-Mail: lipka@rz.uni-leipzig.de

Der Referentiellen Kontexthypothese zufolge werden syntaktische Entscheidungen bei der Interpretation ambiger Saetze durch kontextuelle Information beeinflusst: Leser praeferieren diejenige syntaktische Repraesentation, die es erlaubt, einen eindeutigen Referenten zu etablieren. Dies bestaetigten Experimente im Englischen, in denen Kontexte entweder einen oder zwei moegliche Referenten einfuehrten. Ambiguitaeten zwischen Subjekt- vs. Objektrelativsaetzen im Deutschen erlauben einen interessanten Test der Referentiellen Kontexthypothese, der eine neuartige Manipulation des referentiellen Kontextes erfordert.
Subjektrelativsaetze (z.B. 'das Maedchen, das die Jungen gehasst hatte') sind leichter zu verstehen als Objektrelativsaetze ('das Maedchen, das die Jungen gehasst hatten'). Kann referentieller Kontext diese Praeferenz ueberwinden? Im ersten Satz eines Kontextes wurden zwei potentielle Referenten (z.B. zwei Maedchen) eingefuehrt. Im zweiten Kontextsatz wurden faktische Informationen gegeben, die entweder die Interpretation als Subjektrelativsatz oder als Objektrelativsatz unterstuetzten.
In einer Cloze-Aufgabe fuegten Versuchspersonen die Auxiliare 'hatte' oder 'hatten' in ambige Lueckensaetze ein. In einer weiteren Studie musste die Schwierigkeit ambiger Saetze beurteilt werden. Die ambigen Saetze wurden jeweils nach einem referentiell unterstuetzenden und einem neutralen Kontext praesentiert.
Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass die normale Praeferenz fuer Subjektrelativsaetze durch referentiell unterstuetzende Kontexte ueberwunden wurde.
Diese Ergebnisse stuetzen die Referentielle Kontexthypothese und deuten an, dass Leser eine eindeutige Referenz nicht nur dadurch etablieren, dass sie die Anzahl der im Kontext genannten Referenten beruecksichtigen, sondern auch durch das Ausnutzen faktischer, im Kontext gegebener Information, sogar dann, wenn dies die Wahl einer normalerweise nicht praeferierten Satzinterpretation impliziert. In weiteren Untersuchungen wird ermittelt, ob referentielle Kontexteffekte bei der Verarbeitung syntaktischer Ambiguitaeten von den Speicher- und Verarbeitungsfunktionen des Arbeitsgedaechtnisses abhaengen.

Poster in der Gruppe DFG-Forschergruppe Arbeitsgedächtnis, Montag, 29. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

Zur Programmübersicht

Zur Liste der Postergruppen, Referategruppen und Symposien

Zurück zur Teap '99-Homepage