Erleben und Ausdruck von Überraschung: Evidenz für einen "umgekehrten" Selbstwahrnehmungseffekt

Rainer Reisenzein

Abteilung Psychologie, Universität Bielefeld
33501 Bielefeld, Postfach 10 01 31
E-Mail: rreisenz@hrz.uni-bielefeld.de

Zwei Experimente untersuchten die Beziehung zwischen dem Erleben und dem Gesichtsausdruck von Überraschung sowie den Meinungen über den eigenen Ausdruck. In Exp. 1 wurden die Vpn unter dem Vorwand einer Untersuchung zum "Effekt der Größe des Gesichtsfeldes auf die Wahrnehmung" dazu gebracht, entweder einen überraschungsähnlichen Gesichtsausdruck einzunehmen oder die Stirne zu runzeln, während ein überraschendes Ereignis auftrat. Im zweiten Experiment wurden die Vpn im Rahmen von computerisierten Additionsaufgaben überrascht, während sie (Faktor 1) eine einfache oder schwierige Additionsaufgabe bearbeiteten, die (Faktor 2) auf dem unteren oder dem oberen von zwei übereinander angebrachten Monitoren dargeboten wurde (wodurch im letzteren Fall erneut ein überraschungsähnlicher Gesichtsausdruck erzeugt wurde). Faktor 1 wurde hinzugefügt, weil frühere Untersuchungen gezeigt haben, daß unerwartete Ereignisse bei hoher mentaler Belastung (schwierige Aufgabe) ein stärkeres Überraschungsgefühl hervorrufen (Reisenzein & Ritter, 1998).
In beiden Experimenten fand sich keinerlei Effekt des manipulierten Gesichtsausdrucks auf das Überraschungserleben. In Exp. 2 fand sich erneut ein starker Effekt der mentalen Belastung auf die Überraschungsurteile. Ferner beeinflußte nur dieser Faktor die Meinungen der Personen über die Intensität ihres Gesichtsausdrucks und die Anzahl der gezeigten Ausdruckskomponenten. Diese Ergebnisse und zusätzliche Analysen stützen die Hypothese, daß die Vpn ihr Überraschungserleben verwendeten, um auf ihren Gesichtsausdruck zu schließen. Es fand sich somit Evidenz für einen "umgekehrten" Selbstwahrnehmungseffekt (Bem, 1972).

Referat in der Gruppe Soziale Kognition: Meinung und Einstellung I, Dienstag, 30. März 1999, 19:00, HS 18

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