Im Altersbereich zwischen drei und vier Jahren erwerben Kinder das Konzept der Überzeugung (belief), d.h., sie beginnnen zu verstehen, daß sich Überzeugungen von der Realität unterscheiden können, und daß sich menschliches Handeln aus subjektiven Überzeugungen, nicht aus dem objektiven Zustand der Realität vorhersagen läßt. Die neuere Forschung zur Entwicklung einer "Theory of Mind" in der Kindheit wendet sich der Frage nach den Vorläufern der mentalistischen Handlungserklärungen des 4jährigen zu. Verfügen schon Kleinkinder über ein implizites Verständnis epistemischer Zustände (Wissen, Überzeugungen)? In zwei Experimenten untersuchen wir die Erwartungen 12 Monate alter Babies über die Suche nach versteckten Gegenständen im visuellen Habituations-Dishabituations-Paradigma. Wenn schon Säuglinge einen Zusammenhang zwischen visuellem Informationszugang (Sehen) und erfolgreicher Suche nach einem versteckten Gegenstand erwarten, dann sollten sie zwischen Testbedingungen, in denen eine Person einen Gegenstand am richtigen bzw. am falschen Ort sucht nur dann diskriminieren (d.h., das unerwartete Ereignis länger betrachten als das erwartete), wenn die Person das Versteckereignis sehen konnte. Während sich in den Blickzeiten keine Diskriminierung der beiden Bedingungen zeigt, deuten qualitative Auswertungen der Blickrichtung auf eine beginnende Beachtung des visuellen Informationszugangs. In einem weiteren Experiment mit 16-18 Monate alten Kindern untersuchen wir derzeit den Alterstrend. Die vorliegenden Befunde sind konsistent mit der Interpretation, daß Säuglinge menschliches Handeln früh intentional interpretieren. Jedoch machen sie, so unsere Interpretation, die Annahme einer impliziten Theory of Mind nicht zwingend notwendig.
Poster in der Gruppe Entwicklung, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock
