Bewegungswahrnehmung unter skotopischen Bedingungen

Karl R. Gegenfurtner, Helmut Mayser & Lindsay T. Sharpe

MPI für biologische Kybernetik
Spemannstr. 38, 72076 Tübingen
E-Mail: karl@kyb.tuebingen.mpg.de

Obwohl das Sehen unter skotopischen Bedingungen schon relativ gründlich erforscht ist, ist über die skotopische Wahrnehmung von Bewegung noch wenig bekannt. Wir bestimmten daher Wahrnehmungsschwellen für die Sichtbarkeit und Bewegungsrichtung von bewegten Sinusmustern. Des weiteren verglichen wir die wahrgenommene Geschwindigkeit von Reizen, die zum einen nur das Zapfensystem, zum anderen nur das Stäbchensystem aktivierten. Um eine solche differentielle Modulation zu erreichen, die bei normal farbsichtigen Vpn unmöglich ist, führten wir Experimente an Dichromaten durch, von denen bekannt ist, daß sich ihr Bewegungssehen von dem normal Farbsichtiger nicht unterscheidet. Die Bewegungsreize aktivierten dabei entweder Stächen oder die Rotzapfen der Dichromaten (Deuteranopen).
Die Ergebnisse zeigen, daß auch unter skotopischen Bedingungen Angaben der Bewegungsrichtung schon nahe an der Wahrnehmungsschwelle der Reize möglich sind. Nur bei den niedrigsten Bewegungsgeschwindigkeiten waren die Schwellen für die Angabe über die Bewegungsrichtung deutlich höher als die Detektionsschwellen. Demgegenüber war die wahrgenommene Geschwindigkeit der Stäbchenreize gegenüber den Zapfenreizen um etwa 20% reduziert. Dies war der Fall für alle untersuchten Geschwindigkeiten (1 - 4 Grad/Sekunde) und Beleuchtungsniveaus (0 - 2 log Filterstufen). Da die Signale von Stäbchen und Zapfen schon auf der Netzhaut konvergieren, und die Bewegungsauswertung im visuellen Kortex daher vermutlich identisch ist, lassen sich diese Befunde nur anhand unterschiedlicher peripherer Eigenschaften der Photorezeptoren an sich erklären. Unterschiedliche räumlich-zeitliche Eigenschaften haben jedoch keinen Einfluß auf die Geschwindigkeit, die von einzelnen Bewegungsdetektoren signalisiert wird. Wir stellen daher ein Modell der Populationskodierung der Geschwindigkeit vor, bei dem die stärkere räumliche Mittelwertsbildung der Stäbchensignale zu einem langsameren Populationssignal führt.

Referat in der Gruppe Wahrnehmung und Psychophysik, Dienstag, 30. März 1999, 16:30, HS 21

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