Die Einschaetzung der Entfernung zu einer Landmarke ist wesentlich davon abhaengig, ob die Grundflaeche, auf der Beobachter und Landmarke stehen, kontinuierlich oder (z.B. durch einen Graben) unterbrochen ist (Sinai, Ooi & He, 1998, Nature, 395, 497-500). Ausgehend von diesem Befund prueften wir, ob eine andere Komponente von Gibsons (1979) oekologischer Perzeptionstheorie, naemlich die durch Gelaendestrukturen signalisierte "affordance", eine Rolle fuer die Raumorientierung spielt. Versuchspersonen hatten die Entfernung zu einer Landmarke unter verschiedenen Bedingungen mit einer ebenerdigen Unterbrechung des Untergrundes zu schaetzen. Dabei signalisierte eine Untergrundbedingung eine potentielle Gefahr. Da wie in o.g. Studie in unserem Experiment die Entfernungsschaetzung erfolgte, indem die Versuchspersonen die geschaetzte Strecke in einem Winkel von 90 mit geschlossenen Augen abzugehen hatten, untersuchten wir zusaetzlich die Frage, ob die eingeschlagene Richtung (links / rechts) die Entfernungseinschaetzung beeinflusst.
In Uebereinstimmung mit Sinai et al. (1998) fand sich ein Einfluss der Entfernung auf die Schaetzgenauigkeit in der Weise, dass bei groesserer Entfernung zur Landmarke die Distanz unterschaetzt wurde. Waehrend die Signalisierung einer potentiellen Gefahr keinen signifikanten Effekt hatte, zeigte sich ein Einfluss der Richtung des Ablaufens der geschaetzten Strecke. Bei freier Wahlmoeglichkeit zeigten die Versuchspersonen eine Praeferenz, sich nach rechts zu wenden. Bei systematischer Variation der Gehrichtung war die Entfernungseinschaetzung beim Gehen um 90 nach links genauer, waehrend sich beim Gehen nach rechts die Differenz in der Schaetzgenauigkeit fuer nahe und ferne Landmarken vergroesserte.
Referat in der Gruppe Wahrnehmung und Psychophysik, Dienstag, 30. März 1999, 14:30, HS 21
