Werden unbewußte verhaltenswirksame Reize qualitativ anders verarbeitet als bewußt wahrgenommene? In unseren Untersuchungen zur Metakontrast-Maskierung (Vorberg, Mattler, Heinecke, Schmidt & Schwarzbach; eingereicht) zeigte sich für priming-Effekte derselbe Zeitverlauf, gleichgültig ob die prime-Reize für die Vp unsichtbar ('subliminal') oder relativ deutlich sichtbar ('supraliminal') waren. Diese Befunde sind ein starker Beleg für die identische frühe Verarbeitung unbewußter und bewußter Reize, stehen aber in scheinbarem Widerspruch zu Ergebnissen von Merikle und Joordens (1997). Diese Autoren fanden in einem Stroop-Paradigma mit gehäuften inkongruenten Farbe-Wort-Paaren für subliminaler Farbwörter die üblichen Stroop-Wirkungen, aber entgegengesetzte Wirkungen, wenn die Farbwörter supraliminal dargeboten wurden.
Meiner Ansicht nach sprechen solche qualitativ unterschiedlichen Effekte bewußter und unbewußter Reize nicht gegen eine einheitliche frühe perzeptuelle Verarbeitung, sondern für einen relativ späten kognitiven Kontrollmechanismus, der dann in die normale Verarbeitung eingreift, wenn es strategisch geboten ist. Dafür scheinen zwei Voraussetzungen notwendig zu sein: (1) der Reiz, der die kognitive Kontrolle auslöst, muß bewußt wahrnehmbar sein, und (2) es muß genügend Zeit zwischen prime und Zielreiz zur Verfügung stehen, damit der prime bewußt repräsentiert und der Kontrollmechanismus rechtzeitig wirksam werden kann.
Diese Überlegungen werden derzeit in Experimenten überprüft, in denen die Wirkung stark bzw. schwach maskierter primes gemessen wird, die dem Zielreiz um weniger als 100 ms bzw. mehr als 300 ms vorausgehen. Identisches priming sollte für beide prime-Typen im kurzen Zeitbereich, eine strategische Modulation der priming-Effekte aber nur für sichtbare primes bei langem prime-target-Intervall auftreten.
Poster in der Gruppe Aktuelle Forschungsergebnisse, Montag, 29. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock
