Geschlecht, Angst und Strategie in der Raumorientierung bei Erwachsenen

Sigrid Schmitz

Fachbereich Biologie-Zoologie, Philipps-Universität Marburg
35032 Marburg
E-Mail: schmitz1@mailer.uni-marburg.de

Eine Reihe von Studien ermittelte Geschlechterunterschiede in der Verwendung unterschiedlicher Raummerkmale kognitiver Raumkarten. Männer bevorzugten in staerkerem Maße Weg- und Richtungsinformationen beim Kartenzeichnen und zeigten Vorteile in Aufgaben zur Richtungskompetenz. Frauen bevorzugten die Wiedergabe von Landmarken und wiesen Vorteile im Landmarkengedächtnis auf (McGuinnes & Sparks 1983, Miller & Santoni 1986, Galea uns Kimura 1993). Lawton (1994) zeigte erstmals, dass höhere Orientierungsangst mit einer Bevorzugung der Landmarken-Strategie und schlechteren Richtungszeigeleistungen in Zusammenhang steht. In der vorliegenden Studie sollten Zusammenhaenge zwischen Angst- und Faehigkeitseinschaetzungen, dem Orientierungsverhalten und den Wiedergabestrategien raeumlichen Wissens untersucht werden.
Die Probanden mußten in einem unbekannten Gebaeude dreimal den Weg von definierten Start- zu Zielpunkten finden. Nach jedem Wegfindedurchgang sollten sie eine Wiedergabe des erforschten Gangsystems erstellen. Erhoben wurden Parameter der Orientierungsgeschwindigkeit und der Orientierungsfehler als Mass fuer das Wegfindeverhalten sowie Anteile von Landmarken gegenueber Richtungsangaben in den Raumkarten als Mass fuer bevorzugte Wiedergabestrategien. Vor dem Versuch wurden mit Hilfe eines Fragebogens Eigeneinschaetzungen der Orientierungsangst, der Geschwindigkeitsmotivation und der eigenen Orientierungsfaehigkeiten erfasst.
Maennliche Probanden orientierten sich in der unbekannten Umgebung im Durchschnitt schneller als weibliche. Keine Geschlechterunterschiede waren hinsichtlich der Fehleranzahl festzustellen. Weibliche Probanden bevorzugten bei der Orientierung und in ihren Raumkarten anteilig mehr Landmarken gegenueber Richtungsangaben als maennliche. Orientierungsverhalten und Eigeneinschätzungen standen mit den bevorzugten Wiedergabestrategien in Zusammenhang. Hoehere Geschwindigkeit sagte eine staerkere Richtungsdominanz, hoehere Fehlerhaeufigkeit eine staerkere Landmarkendominanz voraus. Eine bessere Selbsteinschaetzung der Wegfindefaehigkeit sagte eine Bevorzugung der Richtungen voraus. Nur bei den Frauen war die Eigeneinschaetzung der Orientierungsangst eng korreliert mit einer Landmarkenbevorzugung.
Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Verhaltensstrategien beim Wegefinden, Wiedergabestrategien in kognitiven Raumkarten und personeninterne Variablen der Angst und der Faehigkeitseinschaetzung in Wechselbeziehung stehen. Insbesondere bei Frauen stellen die Zusammenhaenge zwischen Orientierungsangst und Landmarkenstrategie einen Komplex dar, der Geschlechterunterschiede bei Erwerb und Wiedergabe von Raumwissen zumindest teilweise erklaeren kann.

Referat in der Gruppe Raumkognition, Dienstag, 30. März 1999, 18:30, HS 15

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