Schweiß oder Sitzfleisch - Was erhöht die Wirksamkeit einer Wiederholung? Nachuntersuchung einer grundlegenden Gedächtnisparadoxie

Rainer Schmidt

Institut für Psychologie, TU Darmstadt
Steubenplatz 12, 64293 Darmstadt
E-Mail: rschmidt@psychologie.tu-darmstadt.de

Die Wirksamkeit einer Wiederholung profitiert in der Regel von einem größeren Wiederholungsabstand zwischen Darbietungen. Dieser Verteilungseffekt zählt zu den theoretisch und auch praktisch für die Unterrichtsgestaltung wichtigsten Befunden der Gedächtnispsychologie. Sein paradoxer Aspekt - eine Verlängerung der Zeit bewirkt einen dauerhaften Behaltensvorteil - ist seit Anfang dieses auslaufenden Jahrhunderts bekannt und wurde seitdem experimentell vielfach belegt. Ebenfalls häufig zitiert aber fast nicht untersucht ist die durch Bjork und Allen 1970 nahegelegte Kompensierbarkeit der zeitlichen Distanz zwischen den Wiederholungen durch die Schwierigkeit der Zwischentätigkeit. Kraft seines ebenfalls paradoxen Aspektes - eine Erschwerung der Behaltensbedingungen führt zu einem Vorteil für das langfristige Behalten - wird dieser Befund, der seinerzeit nicht auf seine statistische Signifikanz geprüft wurde, bis heute als der entscheidende Beleg gegen mindestens eine naheliegende Deutung von zeitlichen Verteilungsvorteilen angeführt ("ein längeres Intervall begünstigt das innere Nachsprechen").
Es werden Wiederholungen des ursprünglichen Versuches von Bjork und Allen im Brown-Peterson-Paradigma, auch mit veränderten Zeit- und Schwierigkeitsparametern, berichtet: In allen Variationen mit 120 Vpn ergeben sich statistisch signifikante zeitliche Verteilungsvorteile. Im Unterschied zu dem Eindruck, den das ursprüngliche Ergebnis von 1970 erweckte, interagieren aber die Variablen Zeit und Schwierigkeit zum Teil in statistisch signifikanter Weise. Die reine Kompensierbarkeit von "Sitzfleisch" und "Schweiß" entfällt. Die Schwierigkeit der Zwischentätigkeit kann nur solange einen sichtbaren Beitrag leisten, wie die Zeit nicht schon an sich wirksam geworden ist.
Das von Bjork und Allen erstmalig berichtete Phänomen wird systematisch auch im Rahmen anderer bekannt gewordener Gedächtnisparadoxien eingeführt. Die experimentellen Befunde werden mit den Ergebnissen einer Simulation durch ein eigenes konnektionistisches Modell verglichen.

Poster in der Gruppe Gedächtnis, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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