Visuelle Suche vs. Korrekturlesen bei Texten

Harald Marx

Universitaet Bielefeld, Abteilung fuer Psychologie
Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld
E-Mail: harald.marx@post.uni-bielefeld.de

Die Entdeckung von Zielreizen (Buchstaben, Wortteile, Woerter) in einem Text haengt einerseits von orthographischen, phonologischen und semantischen Reizgegebenheiten ab, andererseits aber auch von der Aufgabenstellung (z. B. Entdecken bestimmter Buchstaben, Korrekturlesen). Bislang wurden bei gleichem Text die Reizgegebenheiten unter Konstanthaltung der Aufgabenstellung oder bei verschiedenen Texten die Aufgabenstellung unter Konstanthaltung der Reizgegebenheiten variiert. Dadurch sind die jeweils angesprochenen Verarbeitungsprozesse zwischen den Aufgabenstellungen nicht direkt vergleichbar. Ziel dieser Studie ist, mittels eines speziell konstruierten Textes sowohl Reizgegebenheiten als auch Aufgabenstellungen (Visuelle Suche vs. Korrekturlesen) zu variieren und somit bei gegebener Reizgrundlage die Verschiedenartigkeit der Verarbeitungsprozesse der beiden Aufgabenstellungen zu ermitteln. Unabhaengige Gruppen von Zweitklaesslern (jeweils N > 100) erhielten die Aufgabe, innerhalb einer festgelegten Zeitspanne in einem Text entweder Tippfehler oder bestimmte Buchstaben zu suchen und anzustreichen. Die in der Suchbedingung zu findenden Buchstaben wiederum waren entweder immer Bestandteil korrekter Woerter oder entsprachen immer dem Tippfehler der Korrekturlesebedingung. Ausgewertet wurde nach Anzahl der bearbeiteten Woerter in der Zeitspanne und Anzahl der entdeckten Zielreize. Ausserdem wurde die Lesefertigkeit erhoben. Es zeigte sich, dass bei visueller Suche im Durchschnitt deutlich mehr Woerter in der gesetzten Zeit bearbeitet werden als beim Korrekturlesen, dass aber die Zielreizentdeckung nicht per se von der Aufgabenstellung, sondern vor allem von den Reizgegebenheiten und der unabhaengig erhobenen Lesefertigkeit abhaengt. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die den beiden Aufgabenstellungen zugrundeliegenden Prozesse abhaengig vom Reizmaterial sind und mit wachsender Lesefertigkeit ihre Unabhaengigkeit verlieren.

Referat in der Gruppe Visuelle Such- und Erkennungsprozesse, Montag, 29. März 1999, 11:00, HS 21

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