Legasthenie versus allgemeine Lese-Rechtschreibschwaeche. Analysen zur Legitimation dieser diagnostischen Differenzierung

Jutta Weber, Peter Marx & Wolfgang Schneider

Institut für Psychologie, Universitaet Wuerzburg
Roentgenring 10, 97070 Wuerzburg
E-Mail: jutta-maria.weber@mail.uni-wuerzburg.de

In den siebziger Jahren geriet die bis dahin vorherrschende Diskrepanzdefinition der Legasthenie aufgrund diagnostischer Probleme und der Frage nach ihrer Relevanz in der paedagogischen Praxis zunehmend in die Kritik. Trotz dieser Kritik wurde an der Diskrepanzdefinition sowohl in der Forschung als auch in Bezug auf Foerdermaßnahmen weitestgehend festgehalten. Ziel der vorliegenden Studie war es, zu untersuchen, inwieweit sich Legastheniker (mindestens durchschnittliche Intelligenz) von allgemein lese-rechtschreibschwachen Kindern (unterdurchschnittlich intelligent) bezueglich der Ursachen ihrer Rechtschreibprobleme unterscheiden.
Aus einer Stichprobe von 823 Drittklaesslern wurden 82 rechtschreibschwache Kinder ausgewaehlt, von denen 56 als Legastheniker und 26 als allgemein lese-rechtschreibschwache Kinder eingestuft wurden. Diese Kinder wurden mit einer Kontrollgruppe Gleichaltriger und einer Kontrollgruppe juengerer Kinder mit gleichem Leseniveau hinsichtlich verschiedener Aspekte der phonologischen Informationsverarbeitung sowie der visuellen Informationsverarbeitung verglichen.
In fast allen Einzeltests schnitten die Legastheniker geringfuegig besser ab als die allgemein lese-rechtschreibschwachen Kinder. Die Alters-Kontrollgruppe zeigte in fast allen Einzeltests, v.a. in denen zur phonologischen Bewußtheit und zum Arbeitsgedaechtnis, signifikant bessere Leistungen als beide Gruppen rechtschreibschwacher Kinder.
Ein legasthenie-spezifisches Defizit zeigte sich in den von uns erfassten, fuer den Schriftspracherwerb bedeutsamen Variablen somit nicht. Dieses Ergebnis laeßt die Sonderstellung der als Legastheniker klassifizierten Kinder fraglich erscheinen.

Poster in der Gruppe Emotion und Motivation, Montag, 29. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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