Der Verantwortlichkeitseffekt als Artefakt: Empirische Belege gegen die Selbstrechtfertigungshypothese zur Erklärung von "entrapment" und "escalation of commitment"

Stefan Schulz-Hardt, Birgit Thurow-Kröning & Dieter Frey

Institut für Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München
Leopoldstraße 13, 80802 München
E-Mail: schulz-hardt@psy.uni-muenchen.de

Forschungen zu "entrapment" und "escalation of commitment" untersuchen, wann und warum Menschen an verlustreichen und erfolglosen Handlungen festhalten. Als zentraler psychologischer Erklärungsansatz hat sich die "Selbstrechtfertigungshypothese" etabliert: Die verlustreiche Handlung wird fortgesetzt, da man sich nicht eingestehen will, einen Fehler gemacht zu haben. Die wichtigste empirische Stützung der Selbstrechtfertigungshypothese stellt der "Verantwortlichkeitseffekt" dar: In insgesamt 14 Studien konnte gezeigt werden, daß Menschen mehr in eine verlustreiche Handlung investieren bzw. diese länger fortsetzen, wenn sie sich selbst für die Initiierung dieser Handlung entschieden haben (Verantwortlichkeit), als wenn sie diese von anderen (z.B. einem Vorgänger im Amt) übernommen haben. Wir behaupten, daß dieser Effekt auf einem Artefakt basiert. Es ist evident, daß Menschen mehr in eine Handlung investieren und länger an dieser festhalten, wenn sie von dieser überzeugt sind (d.h. sie unter den verfügbaren Alternativen für die beste halten). In der Verantwortlichkeitsbedingung waren die Probanden zwangsläufig von der Handlung überzeugt, da sie diese selbst unter den vorgegebenen Alternativen ausgewählt hatten. Die Kontrollbedingung hingegen stellte stets einen Mix aus überzeugten Personen (die sich genauso entschieden hätten) und nicht überzeugten Personen (die sich anders entschieden hätten) dar. In drei Experimenten konnten wir zeigen, daß Personen, die die gewählte Alternative von einem Vorgänger übernommen hatten (keine Verantwortlichkeit, daher kein Rechtfertigungsdruck), jedoch diese Alternative selbst auch präferiert hatten, bei negativem Feedback genauso lange an dieser festhielten wie Personen in der Verantwortlichkeitsbedingung. Nur Personen ohne Verantwortlichkeit, die eine andere Alternative präferiert hatten, stiegen früher aus. Weitere Befunde untermauern die These, daß Überzeugtheit an Stelle von Verantwortlichkeit bzw. Rechtfertigungsdruck den vermittelnden Mechanismus für das Festhalten darstellt.

Beitrag zum Symposium Should I stay or should I go? Bedingungen und Folgen (nicht) erfolgreicher Zieldistanzierung, Donnerstag, 1. April 1999, 09:00-12:00, HS 21

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