Auslösung psychophysiologischer Reaktionen durch Wahrnehmung gestischer Bewegungen

Guido Kempter

Institut für Psychologie, Universität Duisburg
Lotharstraße 65, 47057 Duisburg
E-Mail: hd253ke@uni-duisburg.de

Zum Zweck der Herausarbeitung psychophysiologischer Reaktionen, die auf die Wahrnehmung gestischer Bewegungen zurückgeführt werden können, wurde ein neues Computeranimationsverfahren eingesetzt, welches die originalgetreue Nachbildung menschlicher Körperbewegungen beliebiger Personen erlauben soll. Dieses Verfahren basiert auf einer Methode zur Erstellung von Bewegungsskripts nach biomechanischer Taxonomie und einer Rechnerschnittstelle, welche die Daten des Skripts auf die geometrischen Segmente eines Humanmodells („Computerpuppe“) überträgt. Ein Vergleich der psychophysiologischen Aktivierungseffekte, die von der Realvorlage und der entsprechenden Reanimation erzielt werden, soll Aufschluß über die stimulierende Wirkung der Gestik zulassen.
Das Versuchsmaterial beruht auf 60 jeweils 10 Sekunden langen Videosequenzen verschiedener Politiker, die den Abendnachrichten internationaler Fernsehsender entnommen wurden. Eine Teilstichprobe von 84 Versuchspersonen betrachtete die Originalsequenzen, eine weitere Teilstichprobe von 36 Versuchpersonen sah die Reanimation der gestischen Bewegungen. Während die Versuchspersonen das Bildmaterial betrachteten, wurden u.a. die Herzschlagfrequenz, die Hautleitfähigkeit und die Atembewegungen der Betrachter registriert.
Berichtet werden Vergleiche zwischen den beiden Darbietungsbedingungen. Die Mittelwerte von insgesamt sieben Parametern der kardialen Aktivität, der elektrodermalen Aktivität und der Atmung werden mittels t-Test verglichen. Drei der sieben Tests sind signifikant, wobei jedoch die Unterschiedlichkeit der Werte aufgrund der geringen absoluten Differenz als inhaltlich nicht bedeutsam eingeschätzt wird. Weiterhin werden Korrelationen zwischen den mittleren Ausprägungen dieser Parameter in beiden Darbietungsbedingungen berichtet. Diese Korrelationen sind, mit einer einzigen Ausnahme, signifikant. Sie liegen bei .30 oder höher; drei von ihnen liegen zwischen .70 und .90.
Aufgrund der Ergebnisse wird darauf hingewiesen, daß die Rolle der gestischen Bewegungen im Prozeß der Auslösung psychophysiologischer Aktivierungen im Betrachter bislang weit unterschätzt wurde. Innerhalb interpersonaler Wahrnehmungen wird deshalb die Bedeutung des nicht-verbalen Verhaltens neu bewertet.

Poster in der Gruppe Physiologische Psychologie, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

Zur Programmübersicht

Zur Liste der Postergruppen, Referategruppen und Symposien

Zurück zur Teap '99-Homepage