Soziale Bedingungen des Erinnerns: Die Abhängigkeit des Gedächtnisses von Annahmen zur kommunikativen Situation

Gerald Echterhoff

Psychologisches Institut, Universität Köln
Herbert-Lewin-Str. 2, 50931 Köln
E-Mail: echterhoff@uni-koeln.de

Seit den paradigmatischen Studien von Loftus ist die Beeinflußbarkeit des Gedächtnisses durch nachträgliche Fehlinformationen vielfach gezeigt worden. Dieser Befund wurde jüngst vor allem auf eine fehlerhafte Quellenunterscheidung (M. Johnson) zurückgeführt. Ausgehend von der Theorie der Konversationsmaximen nach Grice wurden in der vorliegenden Studie die kommunikativen Bedingungen untersucht, unter denen Erinnerungen mehr oder weniger richtig ihren Quellen zugeordnet werden. Damit sollten Erkenntnisse zur Frage gewonnen werden, in welchen sozialen Situationen Gedächtnisprozesse mehr oder weniger flexibel sind.
Gemäß der Konversationsmaxime der Qualität richten sich Kommunikationsteilnehmer/innen in der Regel nach der kommunikativen Vorannahme, die/der Gesprächspartner/in mache keine falschen oder unzuverlässigen Mitteilungen. Die Hypothese war folgende: Wird die Glaubwürdigkeit der Quelle der nachträglichen Informationen erschüttert, so geben Versuchspersonen diese kommunikative Vorannahme auf und erinnern weniger nachträgliche Fehlinformationen.
Nachdem Versuchspersonen ein Video gesehen hatten, lasen sie eine Beschreibung, die im Video nicht vorhandene Details enthielt. Nach 10 Minuten wurden unterschiedliche Informationen zur Quelle der Beschreibung mitgeteilt: Eine Versuchspersonengruppe erhielt eine Kurzcharakterisierung, die die Quelle inkompetent erscheinen ließ (Bedingung "Kompetenzmangel"); einer zweiten Gruppe wurde eine Quelle genannt, die Anlaß hatte, eine unglaubwürdige Beschreibung zu liefern (Bedingung "absichtliche Irreführung"); die dritte Gruppe erhielt keine Quelleninformation (Kontrollbedingung). Zuletzt wurde ein Gedächtnistest durchgeführt.
In der Kontrollbedingung erinnerten die Versuchspersonen in 41% der Fälle die Fehlinformation, während dieser Effekt in den beiden anderen Bedingungen signifikant verringert war (10% bzw. 23% in den Bedingungen "Kompetenzmangel" bzw. "absichtliche Irreführung"). Dieser Befund deutet darauf hin, daß Erinnerungen weniger durch nachträgliche Fehlinformationen beeinflußbar sind, wenn Personen ihre üblichen Vorannahmen zur kommunikativen Situation aufgeben.

Poster in der Gruppe Last-Minute II, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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