Geschichte des Pharmakologischen Institutes in Leipzig

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Zielstellung
Rudolf Boehm

1884-1921

Im Jahr 1883 entschloss sich das Dresdener Ministerium, ein neues Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Leipzig zu gründen. Der erste ausgewählte Kandidat für den Lehrstuhl, Oswald Schmiedeberg, lehnte einen Wechsel von Strassburg nach Leipzig ab, aber er empfahl seinen Kollegen und Freund, Rudolf Boehm, der zuvor in Dorpat (dem heutigen estnischen Tartu) und danach in Marburg gelehrt hatte. Nach Boehms Berufung auf den Leipziger Lehrstuhl 1884 erbaute man nach seinen Vorgaben in der Liebigstraße 1886-1888 das damals größte und zweckmäßigste pharmakologische Institut Deutschlands, mit eigenem Auditorium für 180 Hörer, großzügigen Labors sowie einem Mikroskopiersaal für das Studium der Drogen. In diesem Institut lehrte und experimentierte Boehm bis 1921 auf zahlreichen Gebieten der Pharmakologie und Toxikologie, unter anderem über Wirkmechanismen von Curare und anderen Neurotoxinen.

1921-1943

Nach Boehm wurde Hermann Georg Fühner 1921 auf den Lehrstuhl berufen, der aber Leipzig bereits 1924 wieder verließ, um einen Ruf nach Bonn anzunehmen. 1925 übernahm Oskar Gros den Lehrstuhl. Er hatte in Leipzig studiert, als Assistent bei Boehm gearbeitet und war über Halle, Berlin-Dahlem, Köln und Kiel nach Leipzig zurückgekehrt. Sein wissenschaftliches Interesse galt insbesondere den Effekten von Narkotika und herzwirksamen Substanzen. In die Amtszeit von Gros und seinem Nachfolger Ludwig Lendle (ab 1943) fällt mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem verheerenden Zweiten Weltkrieg der Niedergang von Forschung und Lehre an der Leipziger Universität. Bald konnte aufgrund von Personal- und Geldmangel nur noch ein stark eingeschränkter Lehr- und Forschungsbetrieb aufrechterhalten werden. Bei einem Bombenangriff auf Leipzig in der Nacht zum 4. Dezember 1943 wurde das Medizinische Viertel getroffen und das Pharmakologische Institut, so wie auch andere Institute und Kliniken, völlig zerstört.

1945-1993

Zu Kriegsende war Leipzig eine zerbombte Stadt. Von den 103 Einrichtungen der Universität lagen 68 vollständig und 21 teilweise in Trümmern. Das Pharmakologische Institut zog nach einigen Provisorien 1947 in ein ehemaliges Textilmessehaus in der Härtelstraße 16-18, in dem es sich noch heute befindet. Lendle begann, in einer Etage dieses Gebäudes mit einfachsten Mitteln Lehre und Forschung wieder aufzunehmen. Als er 1949 dem bereits 1947 ergangenen Ruf nach Göttingen folgte, musste zunächst der Direktor des Physiologisch-Chemischen Instituts, Erich Strack, die kommissarische Leitung des Pharmakologischen  Institutes übernehmen. Schließlich wurde 1949 Fritz Hauschild auf den Lehrstuhl für Pharmakologie berufen. Hauschild hatte Chemie und Medizin in Leipzig studiert und war dann Assistent bei Gros geworden. Ab 1937 arbeitete er in der Industrie in Berlin und in Bielefeld, und an den Universitäten von Frankfurt und Heidelberg. 1956 erschien die erste Auflage seines umfangreichen Buches "Pharmakologie und Grundlagen der Toxikologie". Für mehrere von ihm in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelte Präparate (z.B. Thiantan und Rocornal), für sein auch im Ausland verbreitetes Standardwerk und ein Studentenlehrbuch sowie für sein wissenschaftsorganisatorisches Engagement erhielt Hauschild staatliche und internationale Auszeichnungen. 1963 erfolgte die Umbenennung des Institutes in "Institut für Pharmakologie und Toxikologie".
Aus der 1964 gegründeten Abteilung für Klinische Pharmakologie unter Leitung von Reinhard Ludewig, der 1979 auf den ersten Leipziger Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie berufen wurde, entstand 1982 eine selbstständige Abteilung im Bereich Medizin und 1984 das Institut für Klinische Pharmakologie. Hauschilds Schüler und Nachfolger Martin Müller hatte in Leipzig Medizin studiert und ebenso wie Hauschild Industrieerfahrung. 1969 zum Professor für Pharmakologie und Toxikologie berufen, übernahm er 1973 die kommissarische Leitung des Instituts und wurde 1974, nach Hauschilds Tod, Institutsdirektor. 1975 waren am Institut insgesamt 32 Mitarbeiter beschäftigt, neben dem Direktor drei Dozenten, fünf Fachärzte, ein Chemiker, zwei Biologen und ein Physiker; im Jahr 1982 waren es sogar 49 Beschäftigte. Während Hauschild noch ein sehr weites Themenspektrum favorisiert hatte, wurde unter Müller die Arbeit vor allem auf neuropharmakologische Themen (Antiepileptika- und Nootropika-Forschung) konzentriert.

 

1993 bis heute

Im Jahr 1993 wurde Müller emeritiert. Bis 1995  leitete Peter Paul Mager kommissarisch das Institut. 1995 erfolgte die Berufung von Peter Illes auf den Lehrstuhl. 1999 erhielt das Institut nach seinem Gründer den Namen "Rudolf-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie". Ein Jahr danach konnten die umfangreichen baulichen Sanierungsarbeiten abgeschlossen werden. Unter Leitung von Peter Illes wurden purinerger Rezeptormechanismen zum zentralen Forschungsgebiet des Instituts. Nach Emeritierung von Peter Illes im Jahr 2007 und einer kommissarischen Leitung durch Wolfgang Nörenberg wurde der Lehrstuhl 2008 mit Michael Schaefer wiederbesetzt. Das Forschungsfeld erweitert sich hierdurch auf die Kationenkanäle der TRP-Familie und die bildgebende Analyse der raumzeitlichen Steuerung von zellulären Signalprozessen in lebenden Zellen mit Hilfe moderner fluoreszenzmikroskopischer Verfahren. Weiterhin konnte am Rudolf-Boehm-Institut in Zusammenarbeit mit dem ChemBioNet-Netzwerk eine Plattform zur akademischen Wirkstoffentwicklung aufgebaut werden.

 


Rudolf Boehm in seinem Labor


Das ehemalige Pharmakologische Institut


Georg Fühner


Oskar Gros


Ludwig Lendle


Härtelstrasse 16-18

Fritz Hauschild
Fritz Hauschild


Martin Müller


Peter Illes