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58 Ratten auf Kokain – mit diesem besonderen Setting erforschen Wissenschaftler das Suchtverhalten. Es ist diese Studie, von der Dr. Annette Horstmann gleich zu Beginn des Gesprächs berichtet. Denn sie mache deutlich, worum es auch bei ihrer Adipositas-Forschung gehe. In dieser Untersuchung versuchten Wissenschaftler des Instituts für Neurowissenschaften in Bordeaux, 100 Ratten kokainabhängig zu machen.

Die Tiere hatten uneingeschränkt Zugang zu der Droge und nach einer gewissen Zeit wurden sie auf ihr Suchtverhalten hin untersucht. Das Überraschende: Ein großer Teil der Ratten entwickelte keine Kokainabhängigkeit, ein kleiner Prozentsatz hingegen war stark kokainsüchtig. „Wenn man sich ansieht, wie viele Tiere eine milde, schwere oder gar keine Abhängigkeit zeigten, ähnelt diese Verteilung dem Anteil von normalgewichtigen, übergewichtigen und adipösen Menschen in unserer Gesellschaft. Ich gehe davon aus, dass es einen bestimmten Endophänotyp gibt, also eine Voraussetzung im Organismus, die manche Menschen für Adipositas anfällig macht und andere gar nicht – genauso, wie in dem Experiment mit den Ratten“, verdeutlicht Dr. Annette Horstmann ihr Forschungsanliegen. Die Tiere hatten uneingeschränkt Zugang zu der Droge und nach einer gewissen Zeit wurden sie auf ihr Suchtverhalten hin untersucht. Das Überraschende: Ein großer Teil der Ratten entwickelte keine Kokainabhängigkeit, ein kleiner Prozentsatz hingegen war stark kokainsüchtig. „Wenn man sich ansieht, wie viele Tiere eine milde, schwere oder gar keine Abhängigkeit zeigten, ähnelt diese Verteilung dem Anteil von normalgewichtigen, übergewichtigen und adipösen Menschen in unserer Gesellschaft. Ich gehe davon aus, dass es einen bestimmten Endophänotyp gibt, also eine Voraussetzung im Organismus, die manche Menschen für Adipositas anfällig macht und andere gar nicht – genauso, wie in dem Experiment mit den Ratten“, verdeutlicht Dr. Annette Horstmann ihr Forschungsanliegen.

Henne oder Ei?

Sie will nun herausfinden, warum es den einen trifft und den anderen nicht, warum Medikamente in der Adipositas-Therapie bisher nicht angeschlagen haben und warum Menschen Entscheidungen treffen, die sie hinterher bereuen. Und sie ist auf der Suche nach Henne und Ei: Es sei ein großer Unterschied, ob ein Mensch sich nicht gern bewegt, zu viel isst und dann adipös wird oder ob er sich falsch ernährt, sich dadurch nicht mehr gern bewegt und deshalb adipös wird. Das sei wichtig, um Prävention und Therapie auf jeden einzelnen Patienten abzustimmen, so die studierte Neurobiologin.

Dem „Glückshormon“ auf der Spur

Annette Horstmann leitet die Nachwuchsgruppe „Neurobiologie der Entscheidungs­findung bei Adipositas“ am IFB AdipositasErkrankungen. Mit ihrer 13-köpfigen Arbeitsgruppe „O‘BRAIN-Lab“ beobachtet sie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig vor allem mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomografie (MRT) das Gehirn bei kniffligen Entscheidungen. Doch auch mit Augenbewegungen oder Reaktionszeitaufgaben können die Forscher dem kognitiven Apparat beim Arbeiten zusehen. Aktuell untersucht Horstmann mit ihrer Arbeitsgruppe, inwieweit Nahrungspräferenzen und Adipositas in Zusammenhang stehen mit einem der wichtigsten Neurotransmittersysteme für Motivation und Lernen, dem dopaminergen System. Der Botenstoff Dopamin wird umgangssprachlich auch als „Glückshormon“ bezeichnet, er wirkt antriebssteigernd und motivierend. Die These: Der Dopamin-Spiegel übergewichtiger und adipöser Menschen variiert, er ist nicht linear und daraus ergeben sich viele Untergruppen. Je nachdem wie hoch der Dopamin-Spiegel von Übergewichtigen ist, sprechen die Patienten auch unterschiedlich auf Adipositas-Medikamente an. „Die Patienten sehen zwar äußerlich ähnlich aus, doch ihr Gehirn funktioniert ganz anders. Das müssen wir bei unseren Therapie-Ansätzen bedenken“, so Horstmann.

Das Gedächtnis muss mitspielen

Aktuell untersuchen die Leipziger Forscher auch das Arbeitsgedächtnis adipöser Menschen: Inwieweit sind sie in der Lage, bestimmte Informationen im kognitiven Kurzzeitspeicher „online“ zu halten? So kann man sich ein gesundes Mittagessen zwar vornehmen. Aber was ist, wenn diese Information in der Kantine am Mittag nicht mehr aus dem Arbeitsgedächtnis abrufbar ist? „Uns berichten viele Probanden, dass sie sich vornehmen, ihr Verhalten ihren expliziten Zielen anzupassen. Doch vielen fällt das schwer“, erklärt Horstmann. In der Studie müssen die Teilnehmer verschiedene Lern- und Merkaufgaben bearbeiten. Mittels MRT beobachten die Wissenschaftler die Hirnaktivität. Sie erhoffen sich Hinweise darauf, wie das Zusammenspiel der internen Repräsentation von Handlungszielen und externen Reizen das Entscheidungsverhalten beeinflusst.

Warum fällt es schwer, die richtigen Entscheidungen zu treffen?

In einer anderen Studie hat Annette Horstmann mit ihren Kollegen herausgefunden, dass übergewichtige Menschen schlechter aus negativen Konsequenzen ihres Handelns lernen – auch das korreliert sehr wahrscheinlich mit den dopaminergen Veränderungen. Doch warum fällt es Adipösen Menschen so schwer, die vermeintlich richtigen Entscheidungen für einen gesunden Lebensstil zu treffen? Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze. Eine Theorie geht davon aus, dass die Persönlichkeitseigenschaft Impulsivität dazu führt, dass Übergewichtige in manchen Situation erst handeln und später darüber nachdenken. Untersuchungen konnten bislang erhöhte Impulsivitätswerte bei adipösen Menschen herausstellen, auch die Arbeitsgruppe von Annette Horstmann hat gute Hinweise für diesen Erklärungsansatz gefunden. Eine andere These konzentriert sich auf die Suchtperspektive: Während beispielsweise Zigaretten für Raucher eine große Anziehungs- und Motivationskraft bergen, erlangen zuckerhaltige Nahrungsmittel viel Aufmerksamkeit bei adipösen Menschen. „Wenn man die verschiedenen Ansätze zusammen nimmt, sind hochkalorische und zuckerreiche Lebensmittel für Übergewichtige attraktiver, sie entscheiden sich aus einem Impuls heraus dafür, ohne viel darüber nachzudenken. Wenn wir nun noch die Prozesse im Arbeitsgedächtnis hinzunehmen, dass Übergewichtige gerade nicht online haben, dass sie im Moment gar nichts essen wollten – dann kommen wir einer möglichen Erklärung schon näher“, fasst Horstmann zusammen.