Steckbrief
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Länge des Aufenthalts
05.09.2022 – 27.01.2023 -
Lehrsprache
Englisch -
Studienrichtung
Rechtswissenschaft -
Studiengang, Studienabschluss
Rechtswissenschaft Staatsexamen, Staatsexamen -
Förderprogramm
Erasmus+ -
War Ihr Studium im Ausland freiwillig oder obligatorisch in Ihrem Studium vorgeschrieben?
Freiwillig -
Haben sich Ihre Erwartungen an das Studium im Ausland erfüllt?
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E-Mail-Adresse
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veröffentlicht am
Vor dem Studium im Ausland
Der Wunsch, ein bisschen europäische Vielfalt zu schnuppern, bestand schon länger, jedoch zögerte ich aus Angst vor fehlender Anrechenbarkeit von erbrachten Leistungen und einem verlängerten Studium. Nach den Strapazen der COVID-19-Pandemie schien es mir allerdings genau das richtige Mittel der Wahl, um durch andere Perspektiven neuen Elan in mein Studium zu bringen. Schon zu Beginn des Studiums hatte man uns auf Erasmus+ aufmerksam gemacht und im Laufe der Zeit hatten mir viele von ihren positiven Erfahrungen mit dem Programm erzählt. Da mein Freund, der evangelische Theologie studiert, und ich zusammen ins Ausland gehen wollten, war unsere Auswahl von Anfang an ein wenig eingeschränkt. Etwas misslich war, dass die Uni in nordischen Gefilden, für die wir uns als Erstwunsch bewarben, vonseiten meiner Fakultät leider längst nicht mehr als Partnerhochschule zur Verfügung stand. Hier hätte ich mir eine schnellere Aktualisierung der Webseite der Juristenfakultät gewünscht. Budapest war ebenfalls auf unserer Wunschliste, da die Stadt uns beiden spannende Möglichkeiten bot (ihm ein Praktikum bei der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde und mir eine große Auswahl an Kursen), zu den erschwinglicheren Zielen in Europa zählte, wir mehr über die politische Situation vor Ort erfahren wollten und uns die Stadt und das Land auch aus touristischer Sicht reizten.
Obwohl man nur wenige Monate im Ausland verbringt, sollte man den organisatorischen Aufwand zuvor nicht unterschätzen. Ich habe den Großteil der vorher anfallenden Aufgaben ca. 1 bis 3 Monate vor der Abreise erledigt, jedoch ist man hier auch oft auf Informationen, z.B. von der Gastuni, angewiesen, sodass das vermutlich ziemlich unterschiedlich sein kann. Insbesondere die Suche nach einer passenden Unterkunft gestaltete sich wirklich schwierig, da wir von den im Vergleich zu Leipzig teils deutlich erhöhten Preisen für eine kleine Wohnung überrascht wurden. Die von der ELTE selbst zur Verfügung gestellten Links und Services empfanden wir als nicht allzu hilfreich, da wir manchmal keine Antworten erhielten oder die Konditionen sich nicht mit der eher niedrigen Erasmusförderung für Ungarn vertrugen. Zudem sollte man bedenken, dass die von der Uni vorgeschlagenen Vermieter meist eine saftige Kaution fordern und eine Mindestmietdauer von fünf bis sechs Monaten besteht, weshalb es sich häufig lohnen dürfte, gleich mit einem Aufenthalt bis Ende Januar zu planen. Letztlich haben wir über Airbnb einen sehr netten Vermieter gefunden, der seine Wohnung vergünstigt über einen längeren Zeitraum an uns vermietet hat.
Nein, ich habe vorab keinen Sprachkurs besucht, da die hauptsächlichen Unterrichtssprachen an der ELTE Englisch und ggf. auch Deutsch waren. Gern hätte ich schon vor meiner Abreise einen Ungarischkurs absolviert, allerdings war das Angebot da (verständlicherweise) eher eingeschränkt. Vor Ort gab es dann aber einen kostenlosen Sprachkurs der Uni, der Spaß machte und zumindest für ein paar Grundlagen im Alltag völlig ausreichte (einen viel höheren Anspruch würde ich Erasmusstudierenden, die die ungarische Sprache erlernen wollen, auch nicht empfehlen ;)). Die Kommunikation auf Englisch oder - insbesondere bei älteren Personen - auf Deutsch hat meist problemlos funktioniert; nur in einigen Supermärkten und kleineren Läden habe ich manchmal auf meine spärlichen Ungarischkenntnisse und/oder einen Übersetzer (in Form eines netten Mitmenschen oder einer App) vertrauen müssen.
Während des Studiums im Ausland
Das Studium an der ELTE bereitete mir oft viel Freude und insbesondere die beiden Veranstaltungen zum ungarischen Recht, die ich belegte ("Introduction to Hungarian Constitutional Law" und "Einführung in das ungarische Privatrecht") empfand ich als spannend und bereichernd. Aufgrund der engagierten Profs, teils aktueller politischer Bezüge und der Einblicke in ein anderes (wenn auch im Ergebnis gar nicht so fremdes) Rechtssystem. Interessant war auch das breite Angebot an politikwissenschaftlichen Veranstaltungen. Ich besuchte die Vorlesung "Leader Democracy - The Orbán Regime and beyond" und lernte auch hier viel über die politischen Entwicklungen im Land und deren Hintergründe. Eine Vorlesung, von der ich eher abraten würde, ist die zu "European Public Law and Policy", da sie wöchentlich von verschiedenen Dozenten gehalten wird und darunter Struktur und Kontinuität litten. Als Faustregel würde ich ohnehin eher zu Vorlesungen zum ungarischen Recht oder zu Themen, die in Deutschland nicht gelehrt werden, raten, da die meisten der Vorlesungen einen recht geringen Anspruch haben und daher nur Grundlagen abdecken, was gerade bei Vorkenntnissen enttäuschend sein kann. Damit einhergehend empfehle ich auch, eher Vorlesungen zu wählen, die auch von regulären Studierenden belegt werden können (wie z.B. die zum ungarischen Privatrecht), da man so einerseits oft mehr inhaltliche Tiefe erhält und sich andererseits eine der wenigen Gelegenheiten bietet, ungarische Studierende kennenzulernen. Die meisten der rechtswissenschaftlichen Vorlesungen werden jedoch exklusiv für Erasmusstudierende gehalten und sind leicht zu bestehen, wenngleich sie durch teils wöchentliche Gruppenarbeiten, Präsentationen oder Readings mit einem ziemlich hohen Arbeitsaufwand während des Semesters einhergehen können. Ans Herz legen möchte ich Sprachenthusiasten auch den ungarischen Sprachkurs A1.1 mit 4 Wochenstunden, der einem Sprache, Land und Leute ein wenig näherbringt und in meinem Fall von einem tollen Lehrer gehalten wurde. Zudem war unsere Truppe bunt gemischt und man lernte auch so einiges über andere Länder und deren Sprachen. Die ELTE bietet ohnehin ein unglaubliches Angebot an Veranstaltungen (schaut bei Interesse auch an anderen Fakultäten und auf der Seite "News" bei ELTE Neptun), weshalb es schwerfällt, nicht zu viel zu belegen. Ich musste im Laufe des Semesters einige Veranstaltungen aufgeben und würde raten, nicht mehr als 40 ECTS zu machen.
Für die ersten paar Tage kamen wir bei Mitgliedern der deutschsprachigen evangelischen Kirchgemeinde in Budapest, bei der mein Freund sein Praktikum machte, unter. Anschließend zogen wir in die bei Airbnb gefundene Wohnung im IX. Bezirk, was sich als guter Ausgangspunkt für die tägliche Fahrt zur Uni und für die meisten Wege innerhalb der Stadt herausstellte. Besonders vorteilhaft fanden wir die gute Anbindung an verschiedene Linien des ÖPNV (was jedoch in den innenstadtnahen Bezirken Budapests vermutlich fast immer gegeben sein wird, da der ÖPNV wirklich gut ausgebaut ist). Ich empfehle, nicht beim Komfort des Bettes zu sparen (wir schliefen einige Monate lang auf einer Schlafcouch und unsere Rücken waren ziemlich nachtragend) und auch eine gut ausgestattete Küche ist bei Langzeitaufenthalten natürlich viel wert, wenngleich wir aufgrund der recht niedrigen Kosten deutlich häufiger auswärts aßen als gedacht. Man sollte sich zudem darauf einstellen, dass die Wohnsituation in Ungarn eine etwas andere als in Deutschland ist und vieles aufgrund fehlender Geldmittel eher improvisiert und kreativ gelöst wird - über manche Eigenheiten ärgert man sich, über manche schmunzelt man, aber insgesamt konnten wir damit gut leben.
Unsere Wohnung kostete uns monatlich 650€ und war damit ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. Für allein reisende Erasmusstudierende dürfte es, von den sozialen Vorzügen einmal abgesehen, auch finanziell deutlich vorteilhafter sein, ein WG-Zimmer zu mieten, da hierfür ein größerer Markt vorhanden ist und es daher auch leichter sein dürfte, etwas Bezahlbares zu finden. Die restlichen Kosten konnten wir mit unserem uns sonst auch in Leipzig zur Verfügung stehenden Budget weitestgehend abdecken, von einigen Zusatzausgaben für Ausflüge oder Aktivitäten abgesehen. Ein finanzielles Polster für Mehrausgaben ist also definitiv empfehlenswert. Nichtsdestotrotz erschien uns in Budapest und vor allem im übrigen Ungarn vieles deutlich preiswerter als in Deutschland, z.B. Zugreisen innerhalb von Ungarn (wirklich, wirklich preiswert!) und viele Eintrittspreise; auch dank großflächiger Studentenrabatte. Dies zählt definitiv zu den Vorteilen dieses Erasmusziels.
Dankbar bin ich natürlich vor allem für all die Begegnungen mit tollen Menschen aus aller Welt und sehr gern denke ich daran, wie viel wir mit unserer Freundesgruppe auf Trips in kleine ungarische Städte oder zum Balaton lachten. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir aber auch Momente, die in einem gewissen Kontrast zur sonst eher unbekümmerten Erasmuserfahrung stehen - z.B., wenn wir in der Kirchgemeinde bei einer Gemeindeveranstaltung halfen und viel Herzenswärme, aber auch von Problemen und Sorgen der Menschen erfuhren oder, wenn uns Prof von ihrem schwierigen Engagement für Grundrechte in zivilgesellschaftlichen Organisationen berichteten.
Richtige Geheimtipps zu Budapest habe ich eigentlich nicht, sind doch die Orte und Aktivitäten, die gemeinhin empfohlen werden, meist auch tatsächlich empfehlenswert. Von den Stadtführungen im Rahmen der Orientation Week würde ich (zumindest unter dem informativen Aspekt) eher abraten und stattdessen zu konventionellen City Walking Tours, insbesondere im jüdischen Viertel, greifen. Ein persönliches Highlight der Stadt waren für mich die Thermen - sowohl die größeren, teureren als auch die kleineren, ruhigeren. Ich empfand sie als entspannend und stilvoll, nicht als zu voll und dreckig. Da die Meinungen diesbezüglich aber weit auseinandergehen, hilft wohl nur, es selbst einmal auszuprobieren ;). Wir genossen insbesondere die naturnahen Ziele in Budapest und Ungarn und unternahmen z.B. viele Wanderungen in der Nähe des Donauknies, was wir wärmstens empfehlen können (vor allem den Spartacus Hunting Trail - keine Sorge, der ist nicht so hart, wie er klingt). Die vielen urigen, sehr einfachen Schlüsselhäuser in den Wäldern Ungarns, die für wenig Geld für eine Nacht oder länger gemietet werden können, haben sicher auch das Potenzial, ein spannendes, erinnerungswürdiges Erlebnis für eine Freundesgruppe zu werden. Auch kulturell hat Budapest wirklich was zu bieten - für teilweise wirklich wenig Geld (auch hier gibt es einen großzügigen Studentenrabatt) kann man tolle Veranstaltungen in der Oper, dem Madach Theatre (Musicals) oder dem Palast der Künste (kurz Müpa) besuchen. Gleiches gilt für Museen, die normalerweise sogar einmal im Monat kostenfrei besucht werden können - eindrucksvoll fand ich z.B. das Holocaust Memorial Center. Die Events und Trips von ELB und ESN haben wir größtenteils gemieden (aber gern als Inspiration für eigene Ausflüge genutzt). Das lag vor allem daran, dass uns mehrfach berichtet wurde, dass Trips schlecht organisiert und chaotisch gewesen seien und wir mit der eigenen Gruppe ohnehin flexibler und manchmal auch preisgünstiger reisen konnten. Gut gefallen hat uns aber wiederum eine von ELB veranstaltete Boatparty, die wir besuchten. . Zuletzt noch ein Erfahrungswert zu Rezensionen in Ungarn: Gemessen an deutschen Verhältnissen scheinen Ungarn wesentlich schneller die Bestnote auch für nur „ganz nette“ Ziele zu vergeben (insbesondere bei Google Maps); zudem haben wir oft erlebt, dass ansässige Orte sehr früh als überfüllt bezeichnen, die gerade mal voller als ein Wochenmarkt sind – seid also beim Entdecken nicht allzu enttäuscht, wenn nicht jeder Wasserfall, jeder Aussichtspunkt und jede Kirche euch absolut umhauen (wir gerieten in einige ulkige Situationen und bald wurde diese ungarische Besonderheit ein liebevoller Running Gag unter uns) und lasst euch von Aussagen wie letzteren tendenziell nicht verschrecken
Nach dem Studium im Ausland
Leider kann ich mir die in Budapest erbrachten Leistungen nicht anerkennen lassen.
Naturgemäß zwiegespalten und während in den ersten Tagen die Begeisterung über das Erlebte und die Freude über das Wiedersehen und Berichten überwiegen, setzte bei mir bald auch eine gewisse Ernüchterung ein, weil ich das Gefühl hatte, diese sehr flüchtige Erfahrung eines ganz anderen Lebens könnte bald vom sehr schnell wieder einsetzenden Alltag vollständig übertönt werden. Ganz überwunden habe ich diese Phase noch nicht, doch ich halte mich gerade an das, was ich aus dieser Zeit mitnehmen und damit nachhaltig machen kann: Geknüpfte Freundschaften, die es zu pflegen gilt, z.B., oder persönliche Erkenntnisse und kennengelernte Perspektiven. Vielleicht hilft es beim Greifbarmachen von letzteren auch, einen Abend zu veranstalten, an dem man Freunden oder der Familie Essen, Musik und Bilder aus der Region zeigt und vor allem von seinen Erfahrungen berichtet.
Am meisten vermissen viele Zurückkehrende vermutlich die Leichtigkeit und das Abenteuer, die irgendwie über dem ganzen Erasmusaufenthalt schweben. Mir hilft es, meine eigene Heimatstadt ein bisschen neu entdecken zu lernen. Hier und da betrete ich einfach mal spontan einen nett aussehenden Laden, in dem ich noch nie war - wie ich es in Budapest auch getan habe. Oder ich besuche mal wieder ein bestimmtes Museum oder probiere etwas Neues aus.
Weil es noch viel zu entdecken gibt - vielleicht gerade auch da, wo wir schon alles gesehen zu haben glaubten ;).