Steckbrief

  • Länge des Aufenthalts

    06.08.2023 – 22.12.2023
  • Lehrsprache

    Englisch
  • Studienrichtung

    Sozialwissenschaften
  • Studiengang, Studienabschluss

    Kommunikations- und Medienwissenschaft M. A., Master of Arts
  • Förderprogramm

    Erasmus+
  • War Ihr Studium im Ausland freiwillig oder obligatorisch in Ihrem Studium vorgeschrieben?

    Freiwillig
  • Haben sich Ihre Erwartungen an das Studium im Ausland erfüllt?

    Erfüllt
  • Instagram Account

Vor dem Studium im Ausland

Wir alle haben ein Bild von den USA im Kopf. Sei es durch die Serien, mit denen wir aufgewachsen sind, die Influencer, denen wir folgen, die Nachrichten, unsere Freunde, unsere Familie und so weiter. Jeder hat eine Meinung über die USA: positiv, negativ, bewundernd, angewidert und jede Nuance dazwischen. Ich bin in den frühen 2000er Jahren aufgewachsen und hatte durch meinen Medienkonsum schon früh ein ziemlich klares Bild davon, wie eine amerikanische High School, ein College, eine Kleinstadt, New York, Seattle oder Baltimore auszusehen hat. Je mehr Filme, Serien und YouTube ich konsumierte, desto klarer wurde dieses Bild. Später kam durch mein Studium der Medienwissenschaften eine akademische Sicht auf die USA und ihren Einfluss auf die Welt hinzu. Aber es war immer ein Blick von außen, eine Vermutung, eine begründete Vermutung, aber immer nur eine Vermutung. So stand es für mich immer außer Frage, dass ich dieses Land, diesen Mythos, selbst erleben musste, um meinen Vorstellungen und Eindrücken von außen irgendwie auf den Grund zu gehen.

Alles begann damit, dass ich einen Termin bei der Abteilung für internationale Angelegenheiten machte. Nachdem ich mich über die Möglichkeiten eines Studiums in den USA und die damit verbundenen Finanzierungsmöglichkeiten informiert hatte, schrieb ich die notwendigen Bewerbungen. Die Bewerbung für das Austauschprogramm und die verschiedenen möglichen Stipendien hingen hier zusammen, was sehr praktisch war. Doch obwohl ich durch das Erasmus+ Stipendium und das Austauschprogramm mit der OHIO University (mir wurden die Studiengebühren erlassen) schon viel Unterstützung bekam, wäre dieser Auslandsaufenthalt ohne mein eigenes gespartes Geld und die Hilfe meiner Eltern nicht möglich gewesen. Es ist einfach ein unglaublich teures Land in jeder erdenklichen Hinsicht (außer Kinokarten... die sind billiger).

Nachdem ich von Leipziger Seite für das Austauschprogramm angenommen wurde, machte ich mich daran, alle Bewerbungsvoraussetzungen der OHIO University zu erfüllen (es waren einige). Angefangen von finanziellen Nachweisen bis hin zu einem obligatorischen Toeffel-Test (der natürlich bestanden werden musste) war das schon eine Menge Arbeit. Nachdem ich dann in OHIO angenommen wurde, musste ich mich noch um Flüge, Wohnung (da gibt es eine ganz gute Webseite von der OHIO University, die da weiterhelfen kann. Da die OU sehr viele ausländische Studenten hat, helfen die ganz gut weiter), Visum (das ist auch ein ganzer Prozess...), wegen eventueller Anrechnung von Kursen und so weiter. Die Entdeckerapp der UniLeipzig war da auch eine sehr gute Hilfe und Organisationshilfe.

Nein. Gutes bis sehr gutes Englisch ist zwar Grundvoraussetzung (wird auch mit dem Toeffl geprüft), sollte aber für niemanden, der im Master ist und ohnehin die ganze Zeit englische Texte liest und generell englischsprachige Medien konsumiert, ein Problem sein.

Während des Studiums im Ausland

Sehr intensiv. Das Studium im Graduate Programme kann sehr intensiv sein. Es ist sehr bereichernd, lehrreich und öffnet die Augen, aber man verbringt auch viele Stunden in der Unibib. Es gibt viele Hausarbeiten, Essays, Artikel und Texte, die jede Woche geschrieben werden müssen. Hier ist eine gute Struktur und ein gutes Maß an Selbstorganisation sehr wichtig. Am Ende ist alles machbar und auch weniger, als es am Anfang vielleicht scheint, aber man sollte nicht anfangen, Aufgaben vor sich herzuschieben, das häuft sich schnell zu sehr unschönen und stressigen Arbeitsbergen an.

Empfehlen kann ich alle praktischen Kurse, die man am Scripps College of Journalism belegen kann. Ich habe zwei praktische Kurse belegt (Narrative Journalism und Environmental/Science Journalism) und beide haben mir sehr gut gefallen. Viele Kurse an der OU sind sehr praxisorientiert und bieten Möglichkeiten, die man hier in Leipzig manchmal nicht so findet. In beiden Kursen muss man sehr viel schreiben (viele kleine und große Artikel), lernt dadurch aber sehr schnell und sehr viel. In E/S J kamen noch ganz fantastische Exkursionen dazu, die einem die umliegenden Appalachen von Ohio, ihre Vergangenheit, ihre Probleme (vor allem im Zusammenhang mit Umweltproblemen) und ihre Eigenheiten ein wenig näher gebracht haben. So einfach kommt man alleine gar nicht aus der Stadt raus. Die Orte, die wir besucht haben, und die Menschen, die wir dabei kennengelernt haben, gehören zu den eindrucksvollsten Erfahrungen, die ich in den USA machen durfte.

Ich habe in einem Apartmentkomplex außerhalb des Campus (University Courtyard) gewohnt. Viele andere Optionen hatte ich nicht, da Graduate Studis nicht an der Uni selbst wohnen, die meisten unabhängigen WGs vor allem nur lokal erreichbar sind (sowas wie WG gesucht gibt es dort leider nicht) und von den unabhängigen Apartmentkomplexen (die meisten sind aber auch fast nur Studenten) University Courtyard die einzige Adresse war, die einen Mietvertrag für ein Semester akzeptiert hat. Das war aber auch sehr teuer. Ich habe in einer 4er WG mit 2 Bädern gewohnt (leider sehr anonym, aber das lag wohl an unserer Konstellation), was mich 1078$ im Monat gekostet hat. Ich bin mir sicher, dass ich in Athens etwas günstigeres gefunden hätte, aber die Suche von DTL aus war wahnsinnig schwierig und da man vor Abreise sowieso eine Unterkunft haben sollte, musste ich hier etwas in den sauren Apfel beißen. Das Appartment selbst war okay, aber die meisten Vermieter:innen machen in Athen ein Riesengeld mit den Studis. Die meisten Appartments sind in einem... naja, nicht im besten Zustand. Ich hatte ein kleines Zimmer, eine funktionierende Klimaanlage/Heizung, eine Dusche und eine Küche. Mehr braucht man eigentlich nicht. Hübsch wars allerdings nicht :D.

Wie bereits erwähnt, sind die USA ein sehr teures Land. Vor allem bei frischen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse war ich doch sehr überrascht, in welche finanziellen Dimensionen sich meine Einkäufe teilweise bewegten. Meine Miete habe ich größtenteils durch Erspartes und meine Familie finanziert, sodass ich das ERASMUS+ Stipendium komplett für meine alltäglichen Ausgaben verwenden konnte. Wie hoch diese sind, hängt aber auch einfach davon ab, wie viel man außerhalb von Athen unternehmen möchte. Reisen in die Staaten ist natürlich sehr schön (will man ja auch machen, wenn man schon mal da ist), aber vor allem wenn man an die Küste fährt, wird das Ganze natürlich nochmal teurer. In Athen habe ich zusätzlich zur Miete (1078$) ca. 600$ im Monat ausgegeben. Das gleiche (oder sogar etwas mehr) habe ich dann nochmal für meinen viertägigen Trip nach NYC ausgegeben.

Puh, wie fasst man 5 sehr intensive und abwechslungsreiche Monate mit unzähligen einzigartigen Erlebnissen zusammen? Ich glaube, das Beste an Athen ist, sich von dieser besonderen, wunderschönen, fantastischen und irgendwie surrealen Stadt nahezu unvoreingenommen verzaubern zu lassen. Viele meiner amerikanischen Freunde haben auch gesagt, dass Athens selbst in den USA eine Anomalie ist. Eine Kleinstadt, deren Einwohnerzahl sich zu Semesterbeginn verfünffacht, mitten im Nirgendwo, umgeben von den schönsten Hügeln und tiefsten Wäldern, gebaut um eine der ältesten Universitäten des Landes (mit all den beeindruckenden und erhabenen Backstein-Universitätsgebäuden, die man sich nur wünschen kann), am Rande einer der ärmsten Regionen der USA - in Athens prallen krasse Gegensätze aufeinander. Ländlichkeit und Akademie, Kleinstadt und Studentenleben, wohlhabende Bevölkerung umgeben von großer Armut, Naturidylle und schwer geschädigte Umwelt. Um das wirklich zu begreifen, muss man dort gewesen sein.

Aber es lohnt sich auf jeden Fall, die Umgebung zu erkunden. Wenn man in Athen ist, vergisst man schnell, dass es außerhalb der Stadtgrenzen noch eine Welt gibt, die es zu erkunden lohnt. Sei es mit Freunden (es lohnt sich, Freunde mit einem Auto zu haben) oder im Rahmen einer Exkursion der Universität. Die Appalachen in Ohio sind nicht so hoch, aber sehr, sehr schön (besonders im Herbst).

Ein weiterer Tipp, den ich definitiv geben kann, ist sich 2 oder 3 Studi-Clubs anzuschließen. Ein großer Teil des sozialen Lebens in Athen spielt sich in diesen Clubs ab und es ist eine schnelle tolle Möglichkeit schnell Freunde zu finden.

Und besorg dir ein Fahrrad. Dann bist du zwar der stereotype Europäer auf dem Fahrrad, aber es lohnt sich sehr.

Nach dem Studium im Ausland

Das wird sich noch herausstellen müssen. Besonders viel werde ich mir allerdings niht anrechnen lassen können. Dafür ist der Plan des MA KMW zu spezifisch auf Kommunikationsforschung ausgelegt und durch die Bündelung vieler Seminare in grossen 10 ECTS Modulen auch nicht sehr anrechnungsfreundlich.

Meine Rückkehr war sehr schön. Ich habe Leipzig sehr vermisst. Allein, dass man kein Auto braucht, um normal leben zu können, ist einfach sehr, sehr schön. Und ein richtiges WG-Leben liegt mir einfach mehr als das doch recht anonyme Zusammenleben in einer Wohnung. Auch der Rhythmus des Studiums hier (weniger Hausaufgaben, mehr Eigenverantwortung) ist mir lieber als das amerikanische System. Was ich allerdings sehr vermisse, ist die Freundlichkeit der Menschen in Athen. Nach meiner Rückkehr ist mir erst richtig aufgefallen, wie wenig Menschen hier auf der Straße lächeln oder wie kühl Interaktionen zwischen Fremden anfangs sind (bzw. wie skeptisch man manchmal der Freundlichkeit von Fremden gegenüber steht (nach dem Motto: «Was will der denn jetzt von mir?»)). Ich vermisse auch meine Freunde. In der kurzen Zeit hatte ich das Privileg, wirklich sehr liebe Menschen kennen zu lernen. Ich hoffe, dass ich bald wieder etwas Geld zusammenkratzen kann, um sie zu besuchen. Zu guter Letzt vermisse ich die Bagels vom Bagel Street Deli... Oh Mann... Bagels... Mein Herz für Bagels.

Wir alle haben Meinungen und Eindrücke von fremden Ländern, die wir oft nie besucht haben. Durch das Internet haben wir manchmal das Gefühl, dass die ganze Welt oft nur ein paar Klicks, ein paar Swipes oder ein paar YouTube-Beiträge entfernt ist. Und obwohl es wahrscheinlich wahr ist, dass wir in unserer heutigen digitalen Gesellschaft schneller und einfacher mehr und vielfältigere Eindrücke von der Fremde bekommen können, gibt es keinen Ersatz für eine physische Erfahrung. Gerade bei einem Land wie den USA, das von außen (im globalen Vergleich) gar nicht so anders aussieht als Deutschland, ist es unglaublich spannend zu merken, wie anders sich alles anfühlen kann, obwohl man an der Oberfläche so viele Dinge sieht, die einem bekannt vorkommen (durch Film, Fernsehen oder Entsprechungen in Deutschland). Es gibt viele kleine Momente, in denen man kurz innehält, sich wundert und dann reflektiert - «Ah, so ist das hier. So ist das bei uns. Warum ist es bei uns anders? Was gefällt mir besser und warum? Ist es nur Gewohnheit oder steckt mehr dahinter?» Etc. Eine Sache, an die ich mich gut erinnere, wirklich nur eine Kleinigkeit, war, dass ich plötzlich merkte, dass es nicht unbedingt universell ist, gemeinsam mit dem Essen zu beginnen. In den USA (zumindest da, wo ich war) hat jeder einfach angefangen, sobald das Essen auf dem Tisch stand, egal ob zu Hause oder im Restaurant. Nichts wirklich essentielles, aber genug, um mich kurz zum Nachdenken zu bringen und mich an unsere Esskulturen zu erinnern (und mich auch zu fragen, wie seltsam manche unserer Traditionen für andere sein müssen). Ich meine, Deutschland ist auch ziemlich seltsam. Eines der wichtigsten Maskottchen des deutschen Kinderfernsehens ist ein depressives Kastenweißbrot, das sich seiner Existenz als Fernsehfigur bewusst ist, dieser unbedingt entfliehen will (um sich dann seinem Lieblingshobby ‘Raufasertapete anstarren’ zu widmen), aber in seiner Flucht immer wieder von einer KI aufgehalten wird («Es gibt kein Entkommen, Bernd»). Aber so etwas merkt man erst, wenn man wirklich erlebt hat, wie Menschen an anderen Orten leben, glücklich sind und Normalität erleben. Das soll jetzt nicht so klingen wie «Oh, ich war einmal im Ausland und jetzt habe ich die Erleuchtung gehabt», die USA ist schon eine ziemlich Vanilla-Wahl, was ein Auslandsstudium angeht. Nichtsdestotrotz, wenn du dein Zuhause verstehen willst, musst du in die Fremde gehen (huii, jetzt wird aber dick aufgetragen. Klingt aber wie ein Zitat, hat bestimmt mal jemand Klügeres als ich gesagt). Und obwohl ich gerade ganz glücklich bin, wieder in Deutschland zu sein, weiß ich, dass es mich bald wieder packt und ich wieder weg muss. Mal sehen wohin. Vielleicht wieder in die USA (da hab ich noch unglaublich viel zu entdecken), vielleicht auch nicht. Schauen wir mal was wird.