Steckbrief
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Länge des Aufenthalts
10.02.2022 – 15.07.2022 -
Lehrsprache
Englisch -
Studienrichtung
Wirtschaftswissenschaften -
Studiengang, Studienabschluss
Betriebswirtschaftslehre M. Sc., Master of Science -
Förderprogramm
Erasmus+ , Anderes Stipendium , Auslands-BAföG , Selbst finanziert -
War Ihr Studium im Ausland freiwillig oder obligatorisch in Ihrem Studium vorgeschrieben?
Freiwillig -
Haben sich Ihre Erwartungen an das Studium im Ausland erfüllt?
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E-Mail-Adresse
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veröffentlicht am
Vor dem Studium im Ausland
Ich hatte bereits während meines Bachelors die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen und wollte mir das vor dem wirklichen Ende meines Studiums nicht entgehen lassen - so einfach wie über die Uni kommt man wohl selten in den Genuss eines Auslandsaufenthalts und wird dafür sogar noch finanziell unterstützt! Durch ein Studium an einem anderen Ort hat man in meinen Augen eine ziemlich einzigartige Chance, woanders in der Welt für eine längere Zeit richtig zu leben, am Alltag teilzunehmen und auch noch super einfach viele Menschen kennenzulernen.
Bei der Wahl meiner Partnerhochschule war ich ziemlich offen und habe mich auf viele Orte überall in der Welt beworben, damit steigt natürlich auch die Chance, dass am Ende ein Platz rausspringt. Dass ich schließlich in Tel Aviv gelandet bin, war eher (ein sehr glücklicher) Zufall. Ich denke, mit einer Portion Offenheit kann man überall eine richtige gute Zeit haben!
Da ich ja schon mal ein Auslandssemester gemacht hatte, wenn auch über eine andere Universität, hatte ich hier schon einen kleinen Bonus und wusste, wohin ich mich wenden kann. Das Auslandsbüro der Uni hat mir auf jeden Fall in allen Fragen rund um Promos und Erasmus+ sehr hilfreich zur Seite gestanden und sind wohl auch die ersten und besten Anlaufstellen. Im Master stehen einem sonst leider nicht mehr viele andere Stipendienoptionen offen. Da ich zuerst aber keine finanzielle Unterstützung explizit fürs Ausland hatte, blieb bei mir auch ziemlich lange offen, ob ich überhaupt gehen werde. Israel ist schon ein sehr teures Ziel und ohne die nachträgliche Erasmus+-Zusage hätte ich mir den ganzen Spaß sicher auch nicht leisten können. Das wäre vielleicht etwas, was ich im Nachhinein anders gemacht hatte, sich vorher etwas mehr über die auf einen zukommenden Kosten zu informieren.
Da ich damit bereits gute Erfahrungen gemacht hatte, habe ich mir einfach nur eine Unterkunft für die ersten Wochen gebucht (einfach über Booking.com) und bin dann vor Ort auf die Suche gegangen. In meinem Fall bin ich zwar dann einfach dort Wohnen geblieben - aber grundsätzlich würde ich dieses Vorgehen immer empfehlen, da man weniger Gefahr läuft, übers Ohr gehauen zu werden und dann auch einen Eindruck bekommt, ob man an diesem Ort wirklich die nächsten Monate verbringen will.
Da an der Uni in Tel Aviv sehr viel in Englisch angeboten wird, hatte ich hier eine recht große Auswahl und hab deshalb auch keinen weiteren Sprachkurs gelegt. Auch im Alltag war das für mich völlig ausreichend. Auch wenn ich zu Beginn noch ziemlich große Ambitionen hatte, Hebräisch zu lernen, musste ich mir doch recht bald eingestehen, dass ich diese Sprache nicht von null auf innerhalb der wenigen Zeit dort vor Ort fließend lernen werde und habe mich dann doch auf meinem Englisch ausgeruht.
Ich denke, je nach dem, an welchem Ort man sein wird, ist das aber völlig verschieden und ein paar Basics in der Landessprache schaden auf jeden Fall nie! In meinem Fall hatte ich eben Glück, dass Englisch so einfach funktioniert, dazu kann man sich aber ja vorher ein wenig informieren und anhand dessen entscheiden.
Generell sollte man sich in meinen Augen in der Sprache, in der man studieren wird, doch halbwegs wohlfühlen, da eh so viel Neues auf einen einprasselt, dass es doch auch mal ganz schön überwältigend sein kann.
Während des Studiums im Ausland
Die Einführungsveranstaltungen an der TAU waren wirklich ganz nett und man hat ziemlich schnell zumindest die anderen internationalen Studierenden kennengelernt, deshalb würde ich dafür auf jeden Fall empfehlen, diese mitzunehmen. Auch das ganze Semester über wurden immer wieder auch Ausflüge oder Ähnliches organisiert, wo man durchaus spannende Orte besuchen konnte, ohne viel Orgaaufwand dafür zu haben.
Bei den Lehrveranstaltungen hatte ich es am Ende doch gar nicht so leicht, weil sich leider erst recht kurz vor Semesterbeginn herausgestellt hat, dass viele englische Kurse gar nicht für Austauschstudierende offen stehen. Deshalb war hier etwas mentale Flexibilität gefragt. Meine Erfahrung hat mir dann aber auch gezeigt, wenn man offen ist für andere Inhalte finden sich trotzdem ganz andere, trotzdem super spannende Module. Für mich völlig fachfremd, aber trotzdem sehr empfehlenswert war der Kurs "contemporary antisemitism", ich konnte hier wahnsinnig viel lernen und wo kann man diese Informationen und Eindrücke besser kennenlernen als in Israel?
Ich habe in einer etwas verrückten Mischung aus Wohnprojekt und Hostel gewohnt, für mich war das für die zeitlich begrenzte Zeit die perfekte Option. Ich habe viele Freund*innen über mein Zuhause kennengelernt. Hier gab es auch einen schönen Mischmasch aus einheimischen und internationalen Bewohner*innen, wodurch der Kontakt zu den Menschen vor Ort natürlich auch wesentlich leichter gefallen ist. Aber das Haus wäre sicher für viele auch oft zu viel oder zu chaotisch gewesen, ein Versuch ist es aber sicher wert!
Ich denke, grundsätzlich muss man sich doch auf andere Wohnumstände wie hierzulande einstellen und sich vom mitteleuropäischen Komfort verabschieden können. Der Zustand vom Wohnraum, den man sich irgendwie leisten kann, in Tel Aviv ist leider nicht ansatzweise vergleichbar und ich musste am Anfang in meinem ersten Zimmer, welches kein Fenster hatte (leider keine Seltenheit) doch ziemlich Schlucken. Mit viel Suche kann man sicher auch etwas schönere Zimmer finden. Das ist aber doch ganz schön schwer und gewisse Probleme wie Wasserschäden oder kalte Duschen bleiben einem meist auch hier leider nicht ganz erspart.
Tel Aviv ist leider nicht ohne Grund die teuerste Stadt der Welt, und das merkt man auf jeden Fall auch sehr vor Ort. Mir ist im Laufe der Zeit nochmal sehr bewusst geworden, was für ein privilegiertes Leben ich in Deutschland normalerweise führen darf. Die Gedanken, ob man sich einen Kaffee außer Haus leisten kann oder zu einer Party geht, weil der Eintritt so teuer ist, musste ich mir bisher zum Glück nicht sonderlich oft machen. Ich hatte ein ziemlich günstiges Zimmer, dementsprechend sah das allerdings auch aus, mit winzigem Fenster, welches man nicht öffnen konnte und ständig war im Haus irgendwas kaputt (der Lebensstandard ist wirklich sehr sehr anders was das Wohnen angeht!!) und habe dafür immer noch je nach Währungsschwankungen zwischen 700-800€ pro Monat bezahlt. Grundsätzlich kommt man mit um die 1400€ sicher sehr gut über die Runden, lebt aber auf keinen Fall in Saus und Braus - was in meinem Vergleich hier zu Leipzig absurd viel Geld ist. Darauf sollte man sich vor einem Aufenthalt in Tel Aviv auf jeden Fall einstellen.
Für ein Abendessen im Imbiss oder eine Pizza lässt man locker mal 20€ und auch in viele Clubs kommt man unter 25€ oft nicht rein. Aber zumindest die Öffis sind vergleichsweise ziemlich erschwinglich, um auch mal was Gutes zu nennen!
Mir war wohl vor meinem Aufenthalt wirklich nicht bewusst, wie teuer ein Leben in Tel Aviv sein wird, obwohl ich doch schon mit vielem gerechnet hatte, da ich auch mit meinen Vorgänger*innen an der Uni kurzen Kontakt hatte. Good News: Man findet mit der Zeit aber zum Glück, wenn man tief sucht, auch viele tolle Orte, Veranstaltungen und Beschäftigungen, die gratis sind oder zumindest für einen schmalen Taler.
Obwohl ich doch schon ganz gut rumgekommen bin in meinem bisherigen Leben, war die Zeit für mich in Tel Aviv doch kulturell ein ziemliches Erlebnis. Der starke Einfluss der Religion und das Freiheitsgefühl Tel Avivs sind ein für mich bisher ungekanntes Kontrastprogramm, dass sich immer wieder in den verschiedensten Erlebnissen geäußert hat. Auch landschaftlich - von Wüste bis grüne Berge - war alles ziemlich facettenreich. Deshalb kann ich ein einziges Erlebnis gar nicht auswählen. Ich dachte, irgendwann stellt sich etwas mehr Normalität ein. Tel Aviv, Israel und die Westbank sind jedoch bis zum letzten Tag der sechs Monate spannend und eindrücklich geblieben. Es gibt wohl wenige Ort auf der Welt, wo man so viel Geschichte jeden Tag neu erleben kann (aber auch muss) und der mich bisher so sehr in meinem kritischen Denken angeregt hat.
Nach dem Studium im Ausland
Da ich coronabedingt etwas später erst ins Ausland gestartet bin, als ursprünglich mal geplant, war die Anerkennung für mich nicht mehr sonderlich wichtig, da ich schon alle ECTs hatte. Das hat mir die Modulwahl allerdings auch sehr viel einfacher gemacht. Die Anerkennung der wenigen Module, für die das bei mir deshalb grundsätzlich überhaupt möglich ist und ich das auch wünsche, läuft allerdings aktuell noch. Sagen wir mal, man muss schon einen langen Atem haben, um diesen ganzen Prozess zu durchlaufen, wenn man sich (so wie ich) nicht vorher schon gezielter darum kümmert. Mehr kann ich dazu aber aktuell noch gar nicht sagen.
Ich werde sicherlich den Strand und Sommer vermissen, aber das ist ja auch eher schwierig mitzunehmen. Aber auch fast jeden Tag neue Menschen kennenzulernen, was sicher auch zum Teil daran liegt, dass das Leben in Israel einfach viel mehr draußen stattfindet. Für mich war ein großer, wichtiger Teil mir nach der Rückkehr Zeit zu lassen, die vielen Eindrücke zu verarbeiten und mich wieder in meinen Alltag zurück in Leipzig einzufinden. Mir hat es auch sehr geholfen, viel über meine Erfahrungen zu sprechen. Wie ich festgestellt habe, ist das sicher auch etwas Israel-Spezifisches, aber man findet sich eben plötzlich in einer politischen Debatte wieder und muss hier wohl erst mal für sich selbst einen Standpunkt finden.
Das ist sicher für jede*n sehr unterschiedlich, aber man sollte vielleicht nicht zu hohe Erwartungen an die Rückkehr haben. Das ist vielleicht leichter gesagt als getan, aber hilft doch sehr.
Wir lernen eben alle nie aus und es gibt noch so viel zu sehen! :)