Steckbrief

  • Länge des Aufenthalts

    24.02.2022 – 24.07.2022
  • Lehrsprache

    Italienisch
  • Studienrichtung

    Geistes- und Sprachwissenschaften
  • Studiengang, Studienabschluss

    Journalismus M. Sc., Master of Science
  • Förderprogramm

    Erasmus+ , Anderes Stipendium
  • War Ihr Studium im Ausland freiwillig oder obligatorisch in Ihrem Studium vorgeschrieben?

    Freiwillig
  • Haben sich Ihre Erwartungen an das Studium im Ausland erfüllt?

    Mehr als erfüllt
  • E-Mail-Adresse

Vor dem Studium im Ausland

Wer bei Florenz direkt an „dolce vita“, Bilderbuchitalien und die Hügel der Toskana denken muss, trifft mit all diesen Assoziationen direkt ins Schwarze! Mit exakt diesen Vorstellungen war es schon lange mein Traum, mal eine Zeit lang im schönen Italien zu leben. Daher bewarb ich mich kurzerhand um einen Erasmus-Platz und erhielt kurze Zeit später prompt meinen Erstwunsch an der Università degli studi di Firenze.

Der Papierkram, den es im Vorhinein zu erledigen gilt, wirkt zu Beginn größer als er im Endeffekt ist: In den Monaten vor meiner Abreise fühlte ich manchmal etwas überfordert von all den Zertifikaten, die ich zwischen Florenz und Leipzig hin- und herschicken musste. Die Antworten der florentinischen Büros ließen manchmal länger auf sich warten, die Website der Gast-Universität wirkte oft relativ chaotisch auf mich und viele der Kurse, die ich im Learning Agreement angeben wollte, standen kurze Zeit später spontan doch nicht mehr zur Verfügung. Hierbei gilt: Nicht verzweifeln! Im Endeffekt findet sich für fast alles eine Lösung – spätestens vor Ort wird sich der organisatorische Dschungel aus Seminaren, ECTS-Anrechnungen und Stundenplan-Dilemmata lösen. Hätte ich schon früher gewusst, dass ich das Learning Agreement ohne größere Umstände nochmal ändern kann, hätte ich mich weniger gestresst.

Tatsächlich wichtig ist jedoch die sprachliche Vorbereitung: Ich habe vor meiner Ankunft mehrere Italienischkurse belegt, um schlussendlich mit einem Sprachniveau zwischen B1 und B2 nach Florenz zu ziehen. Für mich persönlich war das optimal: So hatte ich die richtige Ausgangsbasis, um den italienischen Vorlesungen vor Ort halbwegs folgen zu können, nicht nur mit englischsprachigen Internationales Freundschaften zu schließen und mich von Anfang an verständigen zu können. Vor Ort werden Intensivkurse angeboten, mit denen man wirklich effizient und preiswert sein Italienisch verbessern kann. Prinzipiell ist es auch möglich, nur mit Englischkenntnissen durchs Erasmus zu kommen, immerhin gibt es einige englischsprachige Kurse – das würde ich jedoch auf keinen Fall empfehlen. Sprache markiert (zumindest meiner Meinung nach) im Endeffekt die Barriere zwischen Touris und Einheimischen, zwischen „zu Besuch sein“ und „wohnen“. Und schlussendlich gibt einem Erasmus die Chance, in einem halben Jahr eine völlig neue Sprache zu lernen – es lohnt sich, diese auch wahrzunehmen!

Während des Studiums im Ausland

Wem es möglich ist, würde ich empfehlen, noch etwas „Pufferzeit“ zum Ankommen einzuplanen. Da meine Klausuren in Deutschland recht ungünstig lagen, hatte ich nur zwei Tage in Florenz, bevor direkt die Uni startete. Demnach bestand die erste Woche aus sehr viel Organisationschaos: Wegen Covid gab es ein bestimmtes Sicherheitssystem an der Uni, an das man sich erstmal gewöhnen musste (z.B. mit obligatorischer prenotazione vor jedem besuchten Kurs). Da die Semesterzeiten zwischen Deutschland und Florenz etwas verschoben stattfinden, ist es oft eher schwierig, den Übergang entsprechend zu takten – es funktioniert aber auch so. Da das Information Office zu Beginn erstmal geschlossen hatte und meine Mails unbeantwortet blieben, hat es mir geholfen, direkt mit den entsprechenden Personen (z.B. Profs) zu reden – im Zweiergespräch lassen sich oft viele Lösungen finden. Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich die professori der italienischsprachigen Kurse sehr freuen, wenn man motiviert ist, es mit der Sprache zu versuchen – da wird gerne mal über Lücken und Schwierigkeiten hinweggesehen.

Der größte Unterschied zu deutschen Unis ist in Italien vermutlich die Unterscheidung zwischen „frequentati“ und „non-frequentati“: Man hat im italienischen Kurssystem entweder die Möglichkeit, meistens anwesend zu sein und im Gegenzug nur eine kleinere Prüfung ablegen zu müssen. Alternativ kann man sich auch für ein größeres Paper und ein „freies“ Semester entscheiden, was ich aber nicht empfehlen würde: Sowohl meinem Italienisch als auch meinen hiesigen Bekanntschaften hat es sehr gutgetan, halbwegs regelmäßig zur Uni zu gehen. So kannten mich auch schnell die Profs und wirkten äußerst entgegenkommend, sobald es an Prüfungsleistungen und Benotung ging.

Pandemiebedingt gab es in meinen Kursen immer die hybride Möglichkeit, sich online zuzuschalten. Vor Ort liefen die Veranstaltungen oft etwas kleiner ab, als ich es aus deutschen Vorlesungssälen gewohnt war: In kleineren Räumen herrschte oft familiäre Stimmung, die Studierenden konnten aktiv partizipieren und die Stunden mitgestalten.

Das Prüfungssystem ist deutlich anders als in Deutschland: Üblich sind mündliche Examen, bei denen der ganze Kurs morgens antreten muss und im selben Saal wartet, in dem auch die Klausur stattfindet. Ergo: Man spricht nicht nur vor dem prüfenden professore, sondern auch vor der halben Klasse. Als einzige Nicht-Muttersprachlerin hat mich das ziemlich nervös gemacht, zugleich hatte ich jedoch das Gefühl, dass mir deutlich mehr Kulanz entgegengebracht wurde als den anderen: Niemand will einen absichtlich durchfallen lassen und mit etwas Vorbereitung und gutem Willen ist das zu schaffen. Manche Profs bieten für ausländische Studierende auch alternative Prüfungsformen wie Paper oder Essays an – hierfür ist es gut, sich frühzeitig in einer Sprechstunde zu erkundigen.

Mit der Wohnungssuche hatte ich extremes Glück, bereits im Vorhinein über Kontakte eine WG zu finden. Ansonsten kenne ich viele, die erstmal in ein Hostel/ AirBnB gezogen sind, um vor Ort aus eine geeignete Bleibe zu finden. Der Campus der Politikwissenschaften ist im Viertel Novoli, ziemlich abseits des Zentrums. Ich würde nachdrücklich empfehlen, sich seine Wohnung nicht dort, sondern lieber in den Vierteln Santa Croce, Campo di Marte, Santo Spirito/ San Frediano/ Oltrarno zu suchen: Zwar braucht man von dort aus länger zur Uni, dafür taucht man allerdings viel mehr ins „echte“ Florenz ein. Von dort erreicht man schnell und fußläufig das Zentrum, kann sich an den wunderschönen Häuserfassaden und der typisch italienischen Architektur erfreuen, ist schnell zum Sonnenuntergang gucken am Fluss oder auf der Piazzale Michelangelo…

Florenz ist deutlich teurer als Leipzig, Warmmieten um die 500€ pro Monat sind keine Seltenheit. Auch ansonsten gehört die Stadt keinesfalls zum billigen Teil Italiens. Die Kosten für Lebensmittel kamen mir vergleichsweise höher vor als in Deutschland, zudem pflegt man als Erasmus-Student:in einen anderen Lebensstil als im regulären deutschen Unileben... Dennoch war das Leben durch die Stipendienunterstützung & Erasmus+ finanzierbar.

Leute kennenzulernen, empfand ich als äußerst einfach: Durch diverse Erasmus-Organisationen gibt es massenhaft Events, bei denen man viele internationale Studierende kennenlernt. Egal ob Bierpong, Karaoke, Wochenendtrips in die Region oder andere Teile Italiens – alleine fühlt man sich selten. Ansonsten helfen italienischsprachige Kurse sehr, um mit Einheimischen in Kontakt zu kommen: Auf mich wirkten Italiener:innen stets äußerst hilfsbereit, offen und waren nicht abgeschreckt von meinen anfangs ausbaufähigen Sprachkenntnissen – im Gegenteil. Offenheit wird mit Offenheit belohnt, besonders in dieser gastfreundlichen Kultur. Ansonsten habe ich mir schnell einen italienischen Sportverein gesucht, war viel draußen unterwegs, besuchte mehrmals wöchentlich einen Sprachkurs und genoss die Feierkultur Italiens. Jetzt mit den Vorzügen der dolce vita anzufangen, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, aber so viel vorab: Aperol trinken auf den piazze, sich einmal (oder mehrmals) quer durch die italienische Küche schmausen, Tagesausflüge ans Meer unternehmen oder die Kunst-Meisterwerke der Renaissancestadt entdecken… Florenz lässt wenig Wünsche offen!

Nach dem Studium im Ausland

Da in meinem Masterstudium kein Auslandsaufenthalt vorgesehen ist, betrachtete ich die italienischen Veranstaltungen von Anfang an als Bonus, zur persönlichen Weiterentwicklung und hilfreich für meine Masterarbeit. Dennoch war ich sehr dankbar darüber, in meinem Studiengangsleiter stets eine hilfreiche, konstruktive Adresse für Fragen aller Art zu haben.

Nach meiner Rückkehr fiel ich erstmal klassisch ins Post-Erasmus-Loch. Es ist schwieriger, sich wieder an zu Hause gewöhnen, da man sich nicht so darauf vorbereitet wie vor dem Auslandsaufenthalt. Noch dazu muss man erst einmal vom lockeren Auslandsleben und der vergnügten fremden Kultur in den deutschen Alltag mit all seinen Pflichten "zurückfinden". Mir fehlte die Sprache, die italienische Sonne, meine internationalen Freunde und all die freie Zeit. Daher ist es eine gute Idee, sich frühzeitig (vielleicht vor Beginn des Auslandsaufenthalts) eine Liste zu schreiben mit Dingen, die man zu Hause mag und vermissen wird. Diese Liste lässt sich gut wieder hervorholen, sobald man zurück in den Alltag muss.

Falls es bisher noch nicht durchklang, dann nochmal ganz direkt: Die vergangenen Erasmus-Monate waren mit die schönsten meines Lebens und ich würde jedem wärmstens empfehlen, diese Chance zu nutzen. Man lernt nicht nur neue Menschen, eine neue Kultur und Sprache, einen neuen Ort kennen, sondern auch neue Seiten an einem selbst. Man hat die Chance, sich ohne allzu viel Struktur treiben zu lassen, das Leben in vollen Zügen zu genießen und viel über Zwischenmenschlichkeit, aber auch internationale Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu lernen. Buon divertimento a tutti – vivere in Italie vale assolutamente la pena!