Pressemitteilung 2016/021 vom

Beim Thema Gleichstellung und Inklusion spielt die Diskussion um "Leichte Sprache" für Menschen mit eingeschränkten Lesekompetenzen eine große Rolle. Viele Texte werden bereits für diese Zielgruppe erstellt. Bisher ging man aber zum Großteil davon aus, dass Empfehlungen zur Textmodifizierung allein zu einem leichteren Textverständnis bei den Zielgruppen beitragen würden, beispielsweise "Verwenden Sie keine Verneinungen", "Trennen Sie lange Wörter mit einem Bindestrich" oder "Machen Sie in jedem Satz nur eine Aussage" . Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojekts "Leichte Sprache im Arbeitsleben" (LeiSA) an der Universität Leipzig zeigten jedoch, wie vage und unsicher diese Annahmen sind. Sie machen sogar deutlich, dass das Befolgen solcher Regeln das Textverständnis unter Umständen erschweren kann.

Bereits seit einem Jahr wird im interdisziplinären Forschungsprojekt LeiSA gearbeitet, um dem, was Leichte Sprache ist und wie sie hergestellt werden kann, linguistisch gestützt auf die Spur zu kommen. Die Projektbeteiligten aus der Sprachwissenschaft veranstalteten Ende vergangenen Jahres ein Nachwuchskolloquium für Teilnehmer aus Bereichen wie Geschichtsdidaktik, Förderpädagogik, germanistischer Linguistik oder Graphikdesign. Ziel war es, sowohl erste Ergebnisse aus den Projektuntersuchungen vorzustellen, als auch eine Plattform für den interdisziplinären Austausch über die festgestellten Probleme zu schaffen.

Grundlagen waren laufende Qualifikationsarbeiten und Projekte. Einige von ihnen befassen sich mit sprachwissenschaftlichen Voraussetzungen für die Umsetzung und die Wirkungsmöglichkeiten "Leichter Sprache", andere griffen sozialwissenschaftliche, förderpädagogische, sprach- und geschichtsdidaktische Themen und Fragestellungen auf. Sie zeigten in diesem Rahmen die thematische Bandbreite und zugleich den großen Bedarf an empirischer wie theoretischer Auseinandersetzung mit "Leichter Sprache". "Erste Ergebnisse aus der Arbeit mit den verschiedenen Zielgruppen, etwa Menschen mit Lernschwierigkeiten und funktionalen Analphabeten, verdeutlichten klar, dass bestehende Regeln für Leichte Sprache viele Aspekte des Lesens und Sprachverstehens mitunter nicht berücksichtigen, ja dieses gar negativ beeinflussen können. Die bisher geltenden Empfehlungen zur Textmodifizierung können also noch nicht die Lösung sein. Die bisherigen Annahmen zu den unterschiedlichen Verständnisproblemen, wie es sie in den spezifischen Zielgruppen geben kann, haben sich in der empirischen Erforschung mit Verständnistests und Befragungen der Zielgruppen bisher nur selten bestätigen lassen", erklärt Prof. Dr. Ulla Fix, die für das sprachwissenschaftliche Teilprojekt von LeiSA verantwortlich ist.

Das Ziel "Leichter Sprache", die Partizipation in verschiedenen Lebensbereichen für benachteiligte Menschen zu verbessern, ist ein Anliegen, das sich auch auf eine persönliche, psychologische und individuelle Ebene erstreckt. Unter den Teilnehmern der LeiSA-Studie befinden sich auch Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sich über die Nutzung von Sprache ihre Teilnahme am Leben selbst ermöglichen, indem sie sich beispielsweise regelmäßig in der Zeitung über das alltägliche Geschehen informieren, Whatsapp und Facebook als wichtige Kommunikationsformen nutzen, aber auch Science-Fiction-Romane lesen. "Für diese Leser greift 'Leichte Sprache', wie sie derzeit praktiziert wird, eindeutig zu kurz", berichtet Fix.

Im kürzlich begonnenen zweiten Jahr der insgesamt dreijährigen Laufzeit wird sich das Projekt LeiSA unter anderem dieser Problematik widmen. Geplant ist vom 13. bis 15. April 2016 eine internationale Tagung zum Thema "’Leichte Sprache’ im Spiegel theoretischer und angewandter Forschung" an der Universität Leipzig. Dabei sollen erstmals die Potenziale und Schwierigkeiten barrierefreier Kommunikation aus nationaler und internationaler Perspektive diskutiert sowie Erkenntnisse und Erfahrungen aus verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitsbereichen ausgetauscht werden. Die Tagung ist als Vernetzungsplattform für Wissenschaft und Praxis zu diesem Thema angelegt. Einbezogen werden soll auch die Zielgruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst.