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Gesprächsmitschnitt

Frage: Herr Barton, Sie haben versucht, die guten Dinge der Digital- in die Präsenzlehre zu übernehmen. Was ist das Gute an der Digitallehre, das sich lohnt, in die Präsenzlehre mitzunehmen?

Antwort 1: Vor zwei Jahren hatten wir die Herausforderung zu überlegen, was von der Präsenzlehre direkt ins Digitale gespiegelt werden kann. Vor ein, zwei Semestern standen wir vor der Herausforderung, wie die guten Inhalte und Elemente der Digitallehre in die Präsenz übernommen werden können. Zum Einen das Angebot, eine Veranstaltung auf digitaler Basis anzubieten, zum Anderen auch für die Präsenzveranstaltung die digitalen Tools zu Verfügung zu stellen: Alle Informationen, wichtige Materialien, Aufgaben, Businessdokumente finden sich einfach in diesem digitalen Raum. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, die Aufgaben entweder in Präsenz zu bearbeiten, oder in Online-Gruppenarbeit. Und ich nutze jetzt auch in Präsenz die digitale Konferenztechnik, die ich vorher nur online genutzt habe, also BigBlueButton. Das hat den Vorteil, dass alle Personen die im Raum sind mit ihrem digitalen Endgerät mit der Präsentation interagieren können. Meine Studierenden nehmen sozusagen auf der Leinwand mit teil, tragen dort Lösungen zusammen, führen Abstimmungen oder Feedbacks durch. Kollaborative Dokumente behalte ich auch in der Präsenzlehre bei, wie Etherpads in Moodle. Die Einträge sind so leserlich und sie können 24 Stunden an sieben Tagen die Woche orts- und zeitunabhängig abgerufen werden und noch ergänzt werden.

Frage: Welche Auswirkungen hat die digitale Lehre aus Pandemie-Zeit auf die heutige Präsenzlehre, bzw. auf die Lehre insgesamt?

Antwort 2: Ich glaube es ist ein Segen, dass die Uni über ihre Lehrformate nachdenken musste: Sind die Lehr- und Lernsettings, die wir jetzt, heute, haben, überhaupt noch zeitgemäß? Hätte es vielleicht nicht diesen Einschnitt gegeben, wer weiß, wann dann der Punkt gekommen wäre, wo wir wirklich mal darüber nachgedacht hätten, was wir vielleicht an der Hochschuldidaktik ändern sollten, damit die Studierenden Bock auf ein Studium und auf meine Vorlesung haben. Ich muss nicht der Lehrende oder die Lehrende sein, die die absolute Weisheit hat über alles. Ich kann auch mal Sachen neu probieren, und ich kann meinen Studierenden das auch so kommunizieren, ohne mein Gesicht zu verlieren. Ich glaube (oder hoffe?), dass sich die Rolle des Lehrenden gewaltig geändert hat bzw. auch immer noch ändert.

Frage: Es wird von manchen Lehrkräften beklagt, dass gar nicht die nötige Zeit zur Verfügung steht, digitale Lehre bedarfsgerecht zu betreiben, dass immer wieder neue Aufgaben hinzu kommen. Ist das auch Ihre Beobachtung??

Antwort 2: So wie die Lehrdeputate heutzutage berechnet sind, ist es nicht mehr zeitgemäß. Digitale Lehre braucht sehr viel Zeit, hat häufig sehr viel mehr Aufwand zur Folge, als das Präsenzformat in gewohntem Format. Damit ein Kulturwandel stattfinden kann, müssen auch die Lehrdeputate anders bemessen werden. Viele Lehrende beschweren sich, dass sie sowieso schon viele Aufgaben haben. Und jetzt kommt durch die digitale Lehre noch mal etwas dazu. Ich sehe auch im Netzwerk immer wieder so viele tolle engagierte Lehrende, die wirklich bereitwillig ihre Praxiserfahrung teilen, aber ich glaube, mit den Jahren sind die irgendwann auch ausgebrannt. Sie brauchen einfach mehr Anerkennung und Entlastung. Das wird zum Teil versucht und es gibt Ausschreibungen von Stellen für SHK. Das kann aber nicht die Dauerlösung sein.

Frage: Von wem sollte dieses Mehr an Anerkennung oder Wertschätzung kommen, von wem die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden? Vom Institut, von der Professur, von der Uni als Ganzes? Wer setzt die Stundenzahl für die Lehrkräfte fest?

Antwort 1: Ich sehe bei uns gar nicht den Spielraum, personell Strukturen zu erweitern. Die sind festgesetzt. Die Lehrenden, die motiviert waren, haben die zwei Digitalsemester genutzt, um diese digitale Lehre auf die Beine zu stellen. Sie können jetzt ihre digitale Lehre erweitern oder Sachen daraus nutzen, um sie jetzt in Präsenz fortzuführen. Und alle anderen brauchen sowieso ein Unterstützungsangebot von einer zentralen Stelle, um ihre digitale Kompetenz überhaupt erst mal dahin zu bekommen, dass sie eine digitale Lehre oder digitale Elemente der Lehre anbieten können. Manche haben es leicht gehabt, hatten Begeisterung und Freude dabei, waren und sind interessiert daran, ihre Lehre zu verbessern, suchen sich dafür Hilfe. Aber wir haben verständlicherweise auch Lehrkräfte, die keinen Zugang zu Digitalisierung, digitaler Lehre, zu digitalen Kompetenzen haben, die gesagt haben: „Oh mein Gott, hoffentlich ist das schnell wieder vorbei.“ Die haben diese zwei Semester überlebt und dann die Rolle rückwärts gemacht. Da gibt es natürlich keine digitalen Elemente. Und diese brauchen meiner Meinung nach an irgendeiner anderen zentralen Stelle ein Unterstützungsangebot, sei es über Kursvorlagen oder Best practice-Beispiele, um diese schnell auf die unterschiedlichen Lehrveranstaltungen zu adaptieren.

Das hochschuldidaktische Zentrum hat ein Weiterbildungsangebot, bei dem man sich Kompetenzen aneignen kann, die ich dann wieder in Aufwand stecke, um meine digitale Lehre aufzubauen oder meine Präsenzlehre zu digitalisieren. Mir geht es aber eher darum, individuell beraten zu werden, wie ich meine vorhandene Präsenzveranstaltung digitalisieren kann.

Antwort 2: Gerade für die Leute, die vielleicht nicht so in dem digitalen Zeitalter groß geworden sind, ist das eine ganz schöne Herausforderung und mit vielen Ängsten verbunden.

Frage: Ängste von denen, die nicht so bewandert sind, Angst vorm Scheitern, Angst vor dem Sich-lächerlich-machen, weil man meint, dann an irgendeiner Stelle peinlich versagt zu haben, während die Digital Natives denken: Was macht er da?

Antwort 2: Auch. Auch auf der Seite der Studierenden muss etwas an den Selbstlernkompetenzen getan werden. Dinge die ich als Dozent voraussetze, sind im digitalen Studium anders, als in einem reinen Präsenzstudium. Die Orientierung in der digitalen Welt, sich auch Sachen allein erarbeiten zu müssen, das sind auch Dinge, die immer wieder bemängelt werden. Eigentlich müsste eine Art Lernberatung ins Studium integriert sein. Wir haben natürlich zentrale Stellen, die sich darum kümmern. Da wir so viel Stoff in den einzelnen Veranstaltungen haben, ist für uns Lehrende gar keine Zeit mehr, dahingehend die Kompetenzen der Studierenden zu fördern.

Antwort 1: Wir haben eine große Heterogenität in der digitalen Kompetenz der Studierenden, und die steht einer großen Heterogenität der digitalen Kompetenzen der Lehrenden gegenüber. Jetzt haben wir also Studierende mit hoher digitaler Kompetenz, die auf Lehrende mit geringer digitaler Kompetenz stoßen. Oder wir haben Lehrende mit hoher digitaler Kompetenz, die auf Studierende mit niedriger digitale Kompetenz stoßen. Wir hatten am Anfang das Problem der Überforderung: Wir haben den Handwerkskasten aufgemacht mit einer Vielzahl an Möglichkeiten, die Moodle als Lernplattform bietet. Manche Studierenden und auch Lehrkräfte waren von dieser großen Auswahl an Tools überfordert. Wir brauchen einen engeren Rahmen und sollten uns auf wenige Tools konzentrieren, die dann vielleicht auch weiterentwickelt werden, aber mit denen alle auf dem gleichen Level umgehen können. Angst der Studierenden, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen oder sich auch lächerlich zu machen im Umgang mit der Technik, können wir so, und auch mit Tutorials, entgegenwirken.

Frage: Spielt dabei eine Rolle, dass Studierende aus ihrer Schulzeit heraus wenig Vorkenntnisse im Umgang mit digitalem Unterricht mitbringen, weil dieser Unterricht in der Schule oft nicht oder nur unzureichend stattfand? Das würde bedeuten, das auch die Studierenden weitergebildet, geschult werden müssen.

Antwort 2: Beim Tag der Lehre hatte die Keynote Speaker davon erzählt hat, dass sie so eine Lernberatung für ihre Studierenden anbietet. Wir müssen überdenken, was wir stattdessen streichen, und dann müssten auch die Curricula angepasst werden. Wir müssen uns fragen: Was brauchen die Studierenden in der späteren Forschungs‑, Arbeits- und Lebenswelt? Was wird noch relevant sein? Wird es relevant sein, dass ich alle Theorien herunterrattern kann? Oder sind vielleicht ganz andere Kompetenzen relevant, die eher gefördert werden sollten.

Frage: Wer beantwortet diese Frage?

Antwort 2: Die Leute, die sich mit der Curriculums-Regelung beschäftigen, hoffe ich. Unsere Erfahrungen aus der Zeit der Pandemie ist, dass es trotz fester, starrer Strukturen möglich ist, eine gewisse Flexibilität zu haben. Diese müssen wir uns bewahren.

Antwort 1: Die Frage ist: Was haben wir Lehrenden für Vorgaben und Freiheiten und von wem werden sie vorgegeben? Woher kommen die Vorgaben? Wir haben eine Universitätsleitung und zentrale Stellen, die bestimmte Möglichkeiten anbieten und Vorgaben machen und wir haben untergeordnete Institutionen mit anderen Vorgaben. Eine Vorgabe ist: Wir sind eine Präsenzuniversität im digitalen Zeitalter, und an einer anderen Stelle wird gesagt: Bitte bevorzugt wieder Präsenzlehre. Oder: Ich habe meine Studierenden das ganze Semester darauf vorbereitet, digitale Kompetenzen zu schulen. Alle sitzen mit ihren digitalen Endgeräten, Tastatur und Maus, in den Veranstaltungen und auf einmal muss ich Präsenzprüfungen abnehmen, bei der die Studierenden seit ein, zwei Jahren das erste Mal wieder einen Stift in der Hand halten. Sie müssen zwei Stunden am Stück mehrere A4-Seiten vollschreiben, haben sich aber eigentlich darauf verlassen, dass alle Inhalte jederzeit verfügbar und einsehbar sind. Ich entwickele also auf Basis die Inhalte weiter und komme aber wieder zu dem Punkt zu sagen: Ich muss Inhalte wiedergeben, so wie ich sie irgendwo gelesen habe, also einfach 1:1 aus dem Gedächtnis wieder kopieren, statt Inhalt weiterzuentwickeln. Also lieber selbst Wissen und Ideen generieren, statt einfach nur Copy & Paste von Wissen auf ein Blatt Papier zu bringen, was dann vielleicht auch noch schwer lesbar ist für die Lehrkräfte wieder, das sollte unser Ziel sein.

Antwort 2: Es gibt einen Hochschulentwicklungsplan und es gibt eine Digitalisierungsstrategie. Dort steht, dass die Studierenden in ihren digitalen Kompetenzen gestärkt werden sollen. Woran es uns mangelt, und auch das hatten wir in einer der Keynotes gehört, ist die konzeptionelle Unterfütterung der Digitalisierung. Ja, wir waren jetzt alle dazu gezwungen, von gestern auf heute Digitalisierung umzusetzen, jeder hat das irgendwie gemacht, mehr oder weniger gut. Und jetzt müssen wir uns alle fragen: Was hat gut funktioniert, was können wir abschneiden, was entwickeln wir weiter? Es fehlt die Konzeptionalisierung von jemandem, der einen Fahrplan vorgibt. Wir haben zwar ein Ziel, aber nicht alle wissen, dass es das Netzwerk Lehre digital gibt und auch eine Digitalisierungsstrategie. Hat jede Lehrkraft, hat das wissenschaftliche Personal schon mal in den Hochschulentwicklungsplan geguckt? Ist ihnen bewusst, was dort festgeschrieben ist? Und haben wir alle uns schon die Frage gestellt, wie wir den dort festgeschriebenen Zielen näher kommen?

Wir als Netzwerk Lehre digital stehen zur Verfügung. Wir sind engagierte Leute, die sich gerne einen Kopf darüber machen. Schon am Anfang der Corona-Pandemie hatte ich festgestellt, dass wir so viele zarte Pflänzchen für Digitalisierung an der Universität haben, aber das zu überblicken ist schwer. Es gab schon zu diesem Zeitpunkt die AG Digitalisierung, es gibt das Netzwerk Lehre digital, es gibt den E-Learning-Service, es gibt ein Universitätsrechenzentrum. Es fehlt die Übersicht: Wie stehen all diese Akteure miteinander in Verbindung, wer macht was? Und wer hat da den Hut auf?