Klimawandel und Biodiversitätskrise zählen zu den wohl größten aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen. An der Universität Leipzig wird zu beiden Themen intensiv und zunehmend interdisziplinär geforscht. Eine Herausforderung ist dabei der Umgang mit enormen Datenmengen. Ein wichtiger Schritt, diese Daten zu verstehen, ist deren visuelle Darstellung, damit sowohl Forschende, als auch interessierte Laien schnell verstehen, welche Information zum Beispiel in Klimamodellen oder Satellitendaten verborgen ist.
Informatik und Erdsystemforschung arbeiten gemeinsam
Forschende aus der Informatik und der Erdsystemwissenschaft der Universität Leipzig haben nun ein neues Werkzeug zur interaktiven Visualisierung großer Klima- und Umweltdaten entwickelt. Lexcube verarbeitet eine Vielzahl von Klimamodelldaten und Satellitenbeobachtungen und stellt diese in einem dreidimensionalen Würfel dar. Ganz anders als konventionelle zweidimensionale Kartenansichten erlaubt Lexcube nun Zeit erfahrbar zu machen. „Die Zeitachse wird zur gleichwertigen Dimension neben der räumlichen Darstellung. Dies ermöglicht es dem Betrachter, schnell und intuitiv zum Beispiel den Temperaturverlauf an einem bestimmten Ort oder ganzen Regionen der Erde zurückzuverfolgen“, sagt Maximilian Söchting, Doktorand am Fernerkundungszentrum für Erdsystemforschung (RSC4Earth) und Institut für Informatik der Universität Leipzig. „Lexcube kann extrem große Datenmengen verarbeiten und ist auch mobil auf dem Handy abrufbar. Und dies ohne jegliche Zugangsbeschränkung.“
Satellitendaten zur Erforschung von Klimawandel der Veränderung von Ökosystemen
Der Datenwürfel basiert auf existierenden Open-Source-Technologien und ermöglicht es Nutzer:innen, bald auch eigene Daten einzugeben. In der aktuellen Version zeigt der Lexcube zum Beispiel den „Earth System Data Cube“, der vom RSC4Earth zusammen mit verschiedenen Partnern im Rahmen einer Förderung durch die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) erstellt wurde. Er integriert Satellitendaten,die den Zustand der Ökosysteme der Welt erfassen, wie zum Beispiel die Photosyntheserate und Bodenfeuchte sowie die dazugehörigen meteorologischen Bedingungen. Ein anderer, von der Volkswagenstiftung geförderter, Datensatz ist speziell für den Nationalpark Hainich erstellt und zeigt, wann der dort vorherrschende Buchenwald besonders vital oder zum Beispiel im Zuge vergangener Trocken- und Hitzejahre geschädigt wurde.
Leistungsstarkes Instrument für Wissenschaftler:innen und Entscheidungsträger:innen
Gemeinsam mit seinen Mentoren Prof. Dr. Miguel Mahecha und Prof. Dr. Gerik Scheuermann hat der 27-Jährige den interaktiven Datacube in den vergangenen eineinhalb Jahren entwickelt und programmiert. „In den Erdsystemwissenschaften hilft uns der Lexcube enorm, unsere essenziellen Daten viel besser zu verstehen und damit später etwa mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu analysieren. Aber meiner Meinung nach geht der Nutzen über die Wissenschaft hinaus. Jede interessierte Person kann nun schnell einen Blick auf die raumzeitliche Entwicklung von Kenngrößen unseres Planeten werfen“, sagt Prof. Dr. Miguel Mahecha, der seit vielen Jahren an der Entwicklung des „Earth System Data Cube„-Konzepts arbeitet. Sein Kollege Prof. Dr. Gerik Scheuermann aus der Informatik ergänzt: „Mithilfe des Datenwürfels können Nutzerinnen und Nutzer komplexe Analysen und Abfragen durchführen, um Erkenntnisse aus den Daten zu gewinnen. An der Universität setzen wir den Lexcube bereits in der Lehre ein.“
Über das Forschungsprojekt
Das Projekt Lexcube entstand als ein Pilotprojekt innerhalb der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur für Erdsystemwissenschaften NFDI4Earth, in der die Universität Leipzig eine leitende Rolle spielt. Die NFDI4Earth wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Doch nun hat sich die Europäische Weltraumorganisation (ESA) bereit erklärt, Lexcube weiterhin über das Projekt DeepESDL zu unterstützten, da sich ein Mehrwert für eine sehr große Nutzergruppe abzeichnet. Wissenschaftlich ist Lexcube eine Kooperation zwischen dem RSC4Earth und der Gruppe Bild- und Signalverarbeitung des Instituts für Informatik der Universität Leipzig.
Leipziger Expertise auf der Konferenz „Building Bridges“
Prof. Dr. Miguel Mahecha wird den Lexcube auf der Konferenz “Building Bridges for the Next Generations” vorstellen, die am 16. und 17. Mai 2023 in Dresden im Beisein des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, des sächsischen Wissenschaftsministers Sebastian Gemkow, des tschechischen Premierministers Petr Fiala und voraussichtlich des polnischen Premierministers Mateusz Morawiecki stattfindet. Ziel ist es, die wissenschaftliche Kooperation zwischen Tschechien, Polen und Sachsen voranzutreiben und insbesondere eine neue Generation von Wissenschaftler:innen mit aktuellen Themen wie Gesundheit, Informationstechnologie, KI und Klimawandel anzusprechen. Auch Dr. Zohreh Hosseinzadeh von der Universitätsmedizin Leipzig wird vor Ort über die Zukunft funktioneller Netzhaut-Organoide sprechen.