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Interview mit den Spitzenabsolventinnen Lea Abeysinghe und Jana Spielmann, die für ihre hervorragenden Ergebnisse in der Staatlichen Pflichtfachprüfung (vormals „Erstes Staatsexamen“) kürzlich mit dem Wolfgang-Scheuffler-Absolventenpreis unserer Fakultät ausgezeichnet wurden. Wir haben sie nach Ihrem Erfolgsrezept und Tipps für die Examensvorbereitung gefragt.

  • Ein kurzer Blick zurück: warum haben Sie sich damals für das Jurastudium entschieden?

Jana Spielmann: Grundsätzlich aus gesellschaftspolitischem Interesse heraus. Aber ich hatte auch richtig Lust, mit Sprache zu arbeiten. Als ich zunächst ein Praktikum bei der Süddeutschen Zeitung gemacht habe, hieß es dort immer: Wenn Sie mal zurückkommen wollen, dann studieren Sie doch lieber Jura statt Journalistik. Weil man bei Jura lernt, Sprache als Handwerkszeug zu verstehen. Also eigentlich war es die Liebe zur Sprache, die Lust darauf, Sachen gut zu formulieren und Wege durch Sprache nachvollziehbar zu machen. Also dachte ich, okay, dann probiere ich das mal aus.

Lea Abeysinghe: Tatsächlich habe ich schon in der 9. Klasse damit geliebäugelt, Jura zu studieren. Damals war ich von der Staatsanwaltschaft als „Herrin des Verfahrens“ fasziniert und wollte gerne als Staatsanwältin die Welt ein kleines bisschen besser machen. Außerdem hatte ich schon in der Schule viel Freude an Wirtschaft und Recht, Mathe und Deutsch, also genau den Fächern, denen man nachsagt, gute Indikatoren für die Wahl eines Jurastudiums zu sein.

  • Welchen Schwerpunkt haben Sie gewählt und haben Sie diesen vor oder nach der staatlichen Pflichtfachprüfung absolviert?

Lea Abeysinghe: Ich habe mich für „Steuerrecht“ entschieden. Die Klausur habe ich zwischen den Klausuren der staatlichen Pflichtfachprüfung und der mündlichen Prüfung geschrieben, das Prüfungsseminar erst danach.

Jana Spielmann: Also ich hatte den Schwerpunkt 4 – Europarecht, Völkerrecht, Menschenrechte – gewählt. Und ich habe tatsächlich sowohl die Klausur als auch die Arbeit schon vor dem staatlichen Teil geschrieben.

  • Wie viel Zeit haben Sie für Ihre Examensvorbereitung aufgewandt und wie sah diese konkret aus?

Lea Abeysinghe: Am Anfang stand ich wie jede:r vor der Frage: Repetitorium oder nicht? Und wenn ja, welches? Ich habe mich letztendlich dafür entschieden, ein Jahr lang ein privates Repetitorium zu besuchen und danach noch ein halbes Jahr eigenständig zu lernen.

Jana Spielmann: Meine Examensvorbereitung hatte ich im April begonnen und dann im August des nächsten Jahr geschrieben, also etwa eineinhalb Jahre. Repetitorien in dem Sinne, dass ich regelmäßig vier, fünf Tage die Woche irgendwo hingegangen bin, habe ich nicht besucht. Trotzdem habe ich mir die LEO-Unterlagen angesehen, bin auch mal in eine Vertiefungsveranstaltung gegangen oder in die LEO-Ferienkurse. Das einzige, was meine Woche aber wirklich strukturiert hat, waren die LEO-Übungsklausuren am Freitag, später kamen noch Übungsklausuren eines kommerziellen Repetitors am Samstag dazu. Ansonsten habe ich alles selber gemacht.

Lea Abeysinghe: Eigenständiges Lernen muss wirklich gut überlegt und geplant sein. Für mich war das am Ende definitiv auch die richtige Entscheidung, allein schon, um den Druck während des Repetitoriums etwas abzumildern.

  • Wie genau sind Sie Ihrem Lernplan gefolgt?

Jana Spielmann: Gerade wenn man die Examensvorbereitung selbst organisiert, ist ein Lernplan wirklich hilfreich. Ich hatte tatsächlich auch vor, mich daran zu halten, habe es dann aber nicht in dem Maße geschafft, wie ich es mir gewünscht hätte. Dafür habe ich wahnsinnig viel mit den Anki-Karten gearbeitet, die mir den Lernplan sozusagen vorgegeben haben. Mit dem Programm wird der Lernstoff in immer größer werdenden Abständen abfragt. Ich hatte dann einen Stapel Karten für jedes Rechtsgebiet und konnte anhand der Karten immer nachvollziehen, wie viel ich schon gelernt hatte. Das hat mir wirklich Struktur gegeben und mir letztlich mein gutes Examen beschert.

Lea Abeysinghe: Ich habe erst im letzten halben Jahr einen Lernplan gehabt, als ich selbstständig gelernt habe. Den habe ich anhand von Vorlagen, aber auch in Absprache mit meiner Lerngruppe erstellt. Meine Etappen waren dabei in mehrere Wiederholungszyklen eingeteilt, die immer kürzer und intensiver wurden. So hatte ich immer ein grobes zeitliches Ziel vor Augen. Meine Tagesziele habe ich mir dann Woche für Woche gesteckt. Dadurch ist es mir ganz gut gelungen, den Plan einzuhalten – und wenn nicht, hatte ich ja immer noch die Puffertage zum Ausgleichen.

  • Wie viele Übungsklausuren haben Sie ungefähr geschrieben?

Lea Abeysinghe: Es war schon eine hohe zweistellige Zahl. Ich habe in dem ersten Jahr jede Woche eine Klausur geschrieben und im letzten halben Jahr mein Pensum auf zwei Klausuren in der Woche erhöht. Auch das Probeexamen habe ich mitgeschrieben. Aber das Klausurenschreiben – wie überhaupt die ganze Examensvorbereitung – ist wirklich sehr individuell. Innerhalb meiner Lerngruppe war es ganz unterschiedlich, wer wie viele Klausuren unter welchen Bedingungen geschrieben hat. Letztendlich waren wir aber alle im Examen erfolgreich.

Jana Spielmann: Bei mir waren es ziemlich genau 60 Stück. Ich habe tatsächlich zu Beginn meiner Examensvorbereitung schon damit angefangen, diese Klausuren zu schreiben. Mit Hilfsmitteln zunächst, weil ich es sonst nicht auf die Reihe gekriegt hätte. Das hat mich auch oft zur Verzweiflung getrieben, denn es ist natürlich heftig, wenn man frisch aus dem Studium kommt, noch viele Lücken hat und auf einmal Examensklausuren bearbeiten muss. Trotzdem würde ich allen ans Herz legen, ganz viele Übungsklausuren zu schreiben.

  • Hatten Sie während der Examensvorbereitung Zweifel, ob Sie tiefgründig genug gelernt haben? Wie sind Sie damit umgegangen?

Lea Abeysinghe: Natürlich! Und ich glaube, das ist ganz normal. Auf Lücke habe ich allerdings nirgends gelernt. Und was die Tiefe des Stoffes anging, habe ich mich hauptsächlich auf das Repetitorium verlassen. Es gehört ja auch zum Dasein einer Juristin, Schwerpunkte setzen zu können, auch in der Examensvorbereitung. Das LJPA ist schließlich sehr kreativ darin, bekannte Probleme in einem neuen Gewand in die Klausuren zu integrieren. Und man kann nicht jede Definition, jedes Schema und jeden Meinungsstreit kennen, muss man aber auch nicht. Wenn man die Grundlagen verstanden und das juristische Handwerkszeug erlernt hat, kann man jeden oder zumindest fast jeden Sachverhalt lösen. Wenn man sich das zur eigenen Beruhigung immer wieder sagt, hilft das schon sehr. Ansonsten hat es mir wirklich geholfen zu wissen, dass ich nicht mehr als mein Bestes geben und zur Not immer noch einen Verbesserungsversuch schreiben kann.

Jana Spielmann: Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Person in der Examensvorbereitung diese Zweifel nicht hat. Wahrscheinlich muss man einfach akzeptieren, dass man abends im Bett liegt und sich denkt: Oh, ich bin wieder nicht mit dem Stoff durchgekommen. Aber man muss tatsächlich lernen das auszuhalten. Da hat mir dann die externe Struktur durch die digitalen Karteikarten wieder sehr geholfen: auch wenn ich den ganzen Tag nichts anderes gemacht habe, habe ich zumindest irgendwie die 100 fälligen Karten erledigt und konnte dann mit dem Gefühl, die Karten wieder auf null gebracht zu haben, ins Bett gehen. Und an solchen Sachen muss man sich ein bisschen festhalten. Vor allem, wenn man wie ich dazu tendiert, sich unrealistische Sachen vorzunehmen. Man kann es vielleicht mit der Besteigung des Mount Everest vergleichen: bevor ich gar nicht losgehe, weil mich diese Mammutaufgabe total verschreckt, laufe ich lieber jeden Tag zehn Höhenmeter und schaffe es damit zumindest irgendwann bis ins Basislager.

  • Was haben Sie als Ausgleich zum intensiven Lernen gemacht? 

Jana Spielmann: Ich habe trotz Examensvorbereitung immer versucht, mein normales Leben aufrecht zu erhalten und das habe ich auch geschafft. Ich habe in einer großen WG gewohnt und da haben wir auch mal länger gefrühstückt, trotz schlechtem Gewissen. Ich war auch mal in der Kneipe und habe sonntags ausgeschlafen. Oft bin ich auch nach der Bib einfach noch zu Freundinnen gegangen und habe mit denen auf dem Balkon gesessen. Ich wollte diesem Narrativ „In der Examensvorbereitung ist das Leben vorbei“ auch etwas entgegensetzen. Natürlich muss man Abstriche machen. Leider habe ich zu wenig Sport gemacht, das wäre sicher gut gewesen. Aber ich war auf Geburtstagen, bin an Weihnachten nach Hause gefahren und habe auch Silvester gefeiert. Das war einfach wichtig, um mein Leben zu stabilisieren. Man kann es wirklich schaffen, trotz voller Lernwoche noch ein soziales Leben zu haben.

Lea Abeysinghe: Ich war jeden Tag in der Natur, entweder zum Spazieren oder Laufen. Ansonsten habe ich mich beim Jumping Fitness ausgepowert und beim Tanzen gute Laune getankt. Mit meinem Freund koche ich auch sehr gerne mal aufwändiger, dabei vergisst man alles um sich herum. Für mich war es auch perfekt, Freunde und Familie ohne juristischen Hintergrund zu haben. So hatte ich immer genügend Abwechslung zum Lernen.

  • Welche Tipps würden Sie Jurastudierenden für die Examensvorbereitung mitgeben?

Lea Abeysinghe: Nicht blind gut gemeinte Tipps von anderen umsetzen, sondern den Mut haben, den für sich richtigen Weg zu gehen. Mir hat es sehr geholfen, meinen Repetitoren zu vertrauen und nicht unendlich viel Literatur zu benutzen – da hätte ich mich nur verzettelt. Auch habe ich mich dazu entschieden, eine Karteikartensammlung anzulegen, die auf Vollständigkeit statt auf Details setzt. Meine Karteikartenboxen waren immer mein sicherer Hafen. Und auch die wöchentlichen Treffen mit meiner Lerngruppe waren nicht nur Wissensaustausch, sondern Balsam für die Seele. Ansonsten habe ich immer versucht, eine intensive Nettolernzeit zu haben anstatt einer extrem langen Bruttolernzeit. Dazu gehört auch, nur Veranstaltungen zu besuchen, die einem persönlich einen Mehrwert bieten.

Jana Spielmann: Für mich ist es ganz klar das Lernen mit den digitalen Karteikarten. Das würde ich tatsächlich allen Jura-Studierenden schon ab dem ersten Semester empfehlen. Man kann mit dem Programm kostenfrei eigene Karten erstellen, aber auch fertige Basiskarten kaufen. Dadurch schafft man es, sich dieses unfassbare Wissen komprimiert so beizubringen, dass man zumindest in allen Fächern die Grundlagen kann. Und das ist das Ziel. Examensvorbereitung ist ein Kampf gegen das Vergessen und dabei hilft das Programm wahnsinnig gut.

  • Wie sehen Ihre nächsten beruflichen Schritte aus?

Jana Spielmann: Für mich war klar: ich möchte jetzt nicht direkt ins Referendariat gehen. Schulischer Unterricht und Klausuren, das hat mir jetzt gereicht. Ich hatte auch schon immer sehr große Lust, wissenschaftlich zu arbeiten. Schon bei den Schwerpunktarbeiten hat es mir richtig viel Spaß gemacht, sich vertieft mit einer Sache auseinanderzusetzen. Und deswegen werde ich jetzt wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht hier in Leipzig und fange bald mit meiner Promotion an.

Lea Abeysinghe: Bis zum Beginn meines Referendariats werde ich in einer internationalen Anwaltssozietät arbeiten. Nebenberuflich bin ich als Repetitorin tätig, was mir sehr viel Freude bereitet. Tatsächlich fiel mir aber die Entscheidung für bzw. gegen eine Promotion vor dem Referendariat sehr schwer. Ich habe nun dem Referendariat gepaart mit der Arbeit in der freien Wirtschaft den Vorzug gegeben und freue mich schon sehr darauf, praktische Erfahrungen zu sammeln.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Maria Garz.