Pressemitteilung 2015/258 vom

Die Flüchtlingsaufnahme und -verteilung muss gesetzlich geregelt und vor allem fair, zügig und human ablaufen. Das fordern deutsche Sozialpsychologen in einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Einer der Verfasser ist Prof. Dr. Immo Fritsche, Leiter des Fachgebiets Sozialpsychologie an der Universität Leipzig. Er sieht in der zunehmenden Verunsicherung der Gesellschaft eine Bedrohung für das harmonische Zusammenleben - mit Folgen.

"Die Unterstützung aus der Bevölkerung ist beeindruckend. Es besteht allerdings die Gefahr, dass diese positive Haltung kippt", sagt Prof. Dr. Immo Fritsche. Es fehle zudem an klaren Regeln und Kriterien bei der Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge. In einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin haben mehrere Sozialpsychologen deutscher Universitäten ihre Bedenken zur aktuellen Flüchtlingsdebatte geäußert und fordern vor allem eines: mehr Klarheit. Eine "schlechte" Organisation, führe nach Ansicht der Experten dazu, dass viele Bürger der Aufnahmegesellschaft die Zuwanderung als Bedrohung wahrnehmen.

"Wenn sich Einzelne bedroht und hilflos fühlen, neigen sie dazu, sich größeren Gruppen anzuschließen, um ein Gefühl von Sicherheit - ein psychisches Grundbedürfnis -, Kompetenz und Durchsetzungsstärke zu bekommen. Das Problem dabei ist: Diese kollektive Identifikation funktioniert dann besonders gut, wenn man sich vom Fremden abgrenzt, was in Bedrohungsszenarien a la "Wir gegen die" münden kann, die sich rechtsextreme Gruppierungen gerne zu Nutze machen", erklärt Fitsche.

Umgekehrt könne diese Bedrohungswahrnehmung aber auch zu erhöhter Bereitschaft zu kollektivem solidarischen Handeln führen. Das werde in der aktuellen Debatte oftmals vergessen, betont Fritsche. Was die Gesellschaft jetzt brauche, sei ein kollektives Ziel: "Wir haben in Deutschland eine rasante Berg- und Talfahrt hinter uns, jetzt haben wir die Wahl, in welche Richtung das Pendel schlägt. Wollen wir eine Gesellschaft, die sich abgrenzt oder erleben wir die Aufnahme von Flüchtlingen als großes Gemeinschaftsprojekt?"