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Ökosystemdienstleistungen wie die Erzeugung von Biomasse sind essentiell für den Menschen. Diese hängen von grundlegenden Ökosystemfunktionen ab, die sowohl durch das vorherrschende Klima und Artenvorkommen, als auch durch menschliche Eingriffe beeinflusst werden. Ein großes internationales Forschungsteam unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie (MPI BGC) in Jena und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) sowie unter Beteiligung der Universität Leipzig hat nun drei Schlüsselindikatoren ermittelt, die die Funktionsweise terrestrischer Ökosysteme beschreiben: 1) die Fähigkeit, die Primärproduktivität zu maximieren, 2) die Effizienz der Wassernutzung und 3) die Wirksamkeit der Kohlenstoffnutzung. Das Monitoring dieser drei Kennzeichen ermöglicht es, einzuschätzen, wie anpassungsfähig ein Ökosystem gegenüber Klima- und Umweltveränderungen ist und wie es sich unter bestimmten Bedingungen weiterentwickeln kann. Die Studie ist kürzlich in der Zeitschrift Nature erschienen.

Die Ökosysteme auf der Landoberfläche erfüllen eine Vielzahl von Funktionen und Dienstleistungen, die für die Gesellschaft von großer Bedeutung sind. Dazu gehören die Erzeugung von Biomasse, die Nutzungseffizienz von Sonnenlicht und Wasser durch die Vegetation, die Wasserrückhaltung und die Klimaregulation. Letztlich hängt auch unsere Ernährungssicherheit von intakten Ökosystemen ab. Klima- und Umweltveränderungen sowie anthropogene Einflüsse bedrohen kontinuierlich die Bereitstellung dieser Funktionen. Um zu verstehen, wie terrestrische Ökosysteme auf diese Gefährdungen reagieren, muss man wissen, welche Funktionen für eine gute Darstellung des Allgemeinzustands und der Entwicklung der Ökosysteme am wichtigsten sind. Dies ist insofern schwierig, als Ökosysteme hinsichtlich ihrer Struktur und ihrer Reaktionen auf Umweltveränderungen hochkomplex sind.

Ein großes internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Dr. Mirco Migliavacca vom MPI BGC und iDiv widmete sich dieser Fragestellung. Dazu verwendeten die Forschenden Umweltdaten aus globalen Netzwerken von Messstationen, kombinierten sie mit Satellitenbeobachtungen und mathematischen Modellen und setzten statistische und kausale Untersuchungsmethoden ein. Das Ergebnis ist verblüffend einfach: „Wir konnten drei entscheidende Indikatoren ermitteln, die es erlauben, das Verhalten von Ökosystemen zu erfassen: 1) wieviel Photosyntheseleistung ist maximal möglich, 2) wie effizient kann das Wasser genutzt werden und 3) wie wirkungsvoll ist die Kohlenstoffnutzung?“, sagt Dr. Migliavacca, Erstautor der Veröffentlichung. 

Unter der maximalen Produktivität versteht man die Kapazität des jeweiligen Ökosystems zur Aufnahme von Kohlendioxid durch die Photosynthese. Der Indikator für die Wassernutzung ist eine Kombination von Messgrößen, die auf der Kohlenstoffaufnahme pro von den Pflanzen umgewandeltem Wasser basieren. Der dritte Indikator spiegelt die Nutzung des Kohlenstoffs durch ein Ökosystem wider, das heißt den veratmeten Kohlenstoff gegenüber dem aufgenommenen Kohlenstoff. Die überraschenden Ergebnisse motivierten das Team, darüber nachzudenken, wie komplexe Ökosysteme letztlich von einer kleinen Anzahl wichtiger Faktoren bestimmt werden, so wie dies beispielsweise für die Blattphotosynthese anhand einer Handvoll von Blatteigenschaften festgestellt wurde. „Allein mit diesen drei Hauptkriterien können wir rund 72 Prozent der Variabilität in den Ökosystemfunktionen erklären“, fügt Migliavacca hinzu. 

„Mit der Wassernutzungseffizienz als zweitwichtigstem Faktor unterstreichen unsere Ergebnisse die Bedeutung der Wasserverfügbarkeit für die Leistungsfähigkeit von Ökosystemen. Dies wird für die Betrachtung der Auswirkungen des Klimawandels von entscheidender Bedeutung sein“, sagt Letztautor Prof. Dr. Markus Reichstein, Leiter der Abteilung Biogeochemische Integration am MPI BGC und iDiv. Das Team untersuchte die Austauschraten von Kohlendioxid, Wasserdampf und Energie an 203 weltweiten Forschungsstationen, die eine große Vielfalt von Klimazonen und Vegetationstypen abdecken. Für jeden Standort berechneten sie eine Reihe von funktionalen Eigenschaften der Ökosysteme und führten darüber hinaus Berechnungen zu durchschnittlichen Klima- und Bodenwasservariablen sowie zu Vegetationsmerkmalen und Satellitendaten zur Biomasse der Vegetation durch. „Die Studie ist auch ein wunderbares Beispiel dafür, wie globale Daten wenn sie disziplinübergreifend und mit neuesten statistischen Methoden ausgewertet werden, zu neuen Erkenntnissen führen“ sagt Prof. Dr. Miguel Mahecha, vom Fernerkundungszentrum für Erdsystemforschung an der Universität Leipzig, der an der Konzeption der Studie mitgewirkt hat. 

Die drei ermittelten Funktionsgruppen hängen entscheidend von der Struktur der Vegetation ab, das heißt vom Grüngehalt der Pflanzendecke, dem Stickstoffgehalt der Blätter, der Vegetationshöhe und der Biomasse. Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung der Ökosystemstruktur, die durch Störungen und Landmanagement die Steuerung der Ökosystemfunktionen beeinflusst. Gleichzeitig hängen die Effizienz der Wasser- und Kohlenstoffnutzung entscheidend vom Klima und teilweise von der Trockenheit ab, was auf die Rolle des Klimawandels für das künftige Funktionieren der Ökosysteme hinweist. „Unsere aufschlussreiche Analyse ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung von Indikatoren für das Verhalten und die Gesundheit von Ökosystemen“, bewertet Prof. Markus Reichstein. „Sie trägt zu einer umfassenden Beurteilung der Reaktion der weltweiten Ökosysteme auf Klima- und Umweltveränderungen bei.“

Originaltitel der Veröffentlichung in "Nature":

"The three major axes of terrestrial ecosystem function", DOI 10.1038/s41586-021-03939-9

www.nature.com/articles/s41586-021-03939-9