Pressemitteilung 2016/107 vom

Der Streit um eine Reform des Länderfinanzausgleichs geht weiter. Bei ihrem Treffen Ende vergangener Woche konnten sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten nicht einigen - weitere Sitzungen werden folgen. "Eine neue gesetzliche Regelung zum Länderfinanzausgleich ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten", sagt Prof. Dr. Thomas Lenk, Finanzwissenschaftler der Universität Leipzig. Lenk ist einer der Herausgeber des gestern Abend in Berlin vorgestellten Sonderbandes des Jahrbuchs für öffentliche Finanzen mit dem Titel "Verhandlungen zum Finanzausgleich".

"Bemerkenswert ist, dass der Bundesfinanzminister schon wiederholt erklärt hat, er könne auch gut mit dem bestehenden System leben. Und das Interesse der Länder hat sich aktuell auf die kostenträchtigen Flüchtlingsfragen verlagert. Das ist kurzsichtig", sagt der Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen und Public Management der Universität Leipzig.

"Der Bundesfinanzminister hat jetzt seine eigenen Vorstellungen als Entgegnung auf den gemeinsamen Vorschlag aller Ministerpräsidenten zum ersten Mal präsentiert. Beide Vorschläge unterscheiden sich in grundlegenden Positionen", erläutert Professor Lenk. Beim "Schäuble"-Vorschlag sei der horizontale Länderfinanzausgleich das Kernstück des föderativen Finanzausgleichssystems - wie im geltenden Recht. "Somit hält also der Bundesfinanzminister am Länderfinanzausgleich mit Zahler- und Empfängerländern fest. Er will keine Verfassungsänderung bei den Regelungen des Länderfinanzausgleichs." Damit erteile er dem von allen Ländern geforderten Umstieg auf einen Ausgleich im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung auf die einzelnen Länder eine klare Absage.

"Darüber hinaus sollte im Sinne echter Solidarität auch am sogenannten Umsatzsteuervorwegausgleich festgehalten werden. Dies widerspricht jedoch den Sonder-Interessen Nordrhein-Westfalens. Grundlegend reformbedürftig, aber weder von den Ländern noch vom Bundesfinanzminister bisher aufgegriffen, sind hingegen die Regelungen der primären Steuerzuordnung. Zum entscheidenden Faktor für die Zuordnung der Gemeinschaftssteuern müsste die Wirtschaftskraft gemacht werden." Damit würden die Steuereinnahmen der aufkommensstarken Steuerarten eng an den Ort der Wertschöpfung geknüpft und das Umverteilungsvolumen insgesamt reduziert, so Lenk. Gerade die ostdeutschen Bundesländer würden sehr davon profitieren. "Die Zahlerländer sind durch die derzeitige Steuerzuordnung seit Jahren systematisch bevorteilt", sagt Lenk.

Einer zusätzlichen Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Länder zu Lasten des Bundes - ebenfalls von den Länder gefordert - stimmt Schäuble zu. "Aber das ist nur scheinbar ein Entgegenkommen, da er den Ländern eine Gegenrechnung unter anderem nach der Tilgung des Fonds Deutsche Einheit präsentiert", sagt Thomas Lenk.

Insgesamt sieht der Finanzwissenschaftler sowohl das von den Ländern vorgeschlagene Modell als auch den Vorschlag vom Bundesfinanzminister äußerst kritisch. "In beiden Modellen kann man meines Erachtens mit einer fortschreitenden Entsolidarisierung rechnen."