Pressemitteilung 2002/130 vom

Am 30. Mai, 10:00 Uhr, zur Stunde der Vernichtung der Universitätskirche vor 34 Jahren, fand in der Nikolaikirche ein Universitätsgottesdienst zum Gedenken an die "nur noch in unseren Herzen vorhandene Paulinerkirche" statt. Prof. Dr. Rüdiger Lux, der die Predigt zum Thema "Ein Ort Gottes in der Universität?" hielt, sprach sich eingangs dafür aus, diese Erinnerung über den Verlust hinaus in die Zukunft weisen zu lassen, und mit dem Blick auf die anstehende Entscheidung über die bauliche Gestaltung dieses zentralen Ortes der Universität plädierte er für "ein Mitdenken und Mitsprechen aller im fairen Wettstreit der Argumente".

An die Sprengung erinnernd, als die Universitätskirche durch den Hochmut der Mächtigen, durch Feigheit und Verblendung städtischer und universitärer Gremien in Schutt und Asche sank, stellte Prof. Lux die Frage: Was soll nun, 34 Jahre später, daraus werden: Neubau oder Wiederaufbau? Doch ehe man sich dieser Frage stelle, sollte man über eine andere, eine ungleich wichtigere Frage Klarheit gewinnen, in der es nicht um Architektur und Finanzierung gehe: Wie wollen wir an der Universität zusammenleben? Das könne nur nach einem menschlichen Maß geschehen. Das sei auch die Lehre aus dem barbarischen Geschehen vor 34 Jahren. Denn die besondere Gefährlichkeit der Universitätskirche für die Machthaber habe darin gelegen, dass es mit ihr einen Ort gab, der in der totalitären Ideologie, in der Eroberungsmentalität der Herrschenden ausgespart war für einen anderen Geist. Für die heutige Zeit gesprochen: Auch die Wissenschaft sei nicht frei von der Mentalität des Eroberns, sie habe den ambivalenten Bibelspruch "Macht euch die Erde untertan" verinnerlicht. Im neu entstehenden Haus der Wissenschaft müsse aber auch ein menschliches Maß gegeben sein, müsse auch ein Raum ausgespart werden, der von sich selber, der Wissenschaft, frei sei, sonst bestehe die Gefahr, dass sie dem Gift des totalen Denkens erliege. Deutlicher gesagt: Gebraucht werde ein Raum Gottes im Alltag der Wissenschaft, ein Raum, wo Leistungs- und Drittmittelbilanzen einmal schweigen. Auf den Geist komme es an! Wenn über den Klarheit herrsche, finde sich die äußere Gestalt von selbst.

In Anbetracht der gegenwärtigen Diskussionen ein sehr optimistisches, aber vielleicht erhellendes Fazit. Am Schluss des Gottesdienstes gab der Erste Universitätsprediger Prof. Dr. Martin Petzoldt eine Information über den Abschluss der zweiten Phase des Architektenwettbewerbes. Der als Sieger hervorgegangene, mit dem 2. Preis bedachte Entwurf sei vom Preisgericht zur Grundlage weiterer Entwicklungen erklärt worden. Der Wettbewerb habe aber auch deutlich gemacht, dass sich die auswärtigen Teilnehmer schwergetan haben, emotional den Verlust der Universitätskirche zu erfassen und architektonisch umzusetzen. Und das, obwohl dem Gedanken des Erinnerns am alten Standort eine hohe Wertigkeit zugeprochen worden war. So erschien es naheliegend, dass Prof. Lux zuvor in seiner Predigt auf jenen einzigen Entwurf verwiesen hatte, der in zeitgemäßer Architektur die äußere Gestalt der Paulinerkirche in etwa wieder aufnahm, und empfohlen hatte, ihn weiter zu bedenken und gewissermaßen im Spiel zu halten.

Am Gottesdienst beteiligt waren auf eindrucksvolle Weise der Universitätschor unter der Leitung von Universitätsmusikdirektor Wolfgang Unger und Universitätsorganist Prof. Arvid Gast.