„Sehr geehrte Damen und Herren!
Sie baten mich per Postkarte um meine Geschichte zu Ihrem Thema gemäß Betreff.
Dem komme ich gern nach, nicht etwa weil ich gern Geschichten erzähle, sondern weil Sie sich als > Stabsstelle der Uni Leipzig < eine Antwort in den langen Jahren der stets zuverlässigen Zusammenarbeit einfach redlich verdient haben.
Ich könnte anfangen damit, daß für mich Bildung ein generelles Erfordernis ist. So komplex will ich das Thema aber gar nicht abhandeln. Nein, ich will mich bewusst auf die Zeit beschränken, als ich mit gerade mal 55 Lebensjahren, wir schrieben das Jahr 1994, meine immer wieder gern getane anspruchsvolle Arbeit als Ingenieur und Leiter einer technischen Projektierungsabteilung für große Industrieanlagen, verlor; mein Betrieb musste in die Gesamtvollstreckung gehen und ich stand nach 29 Jahren, 4 Monaten und 15 Tagen ausgefüllter Ingenieurarbeit vor dem beruflichen Nichts.
Keine meiner sehr vielen Bewerbungen führte zum Erfolg, viele angefragten Firmen antworteten nicht einmal; eine weitere große Menge der Firmen fand blumenreiche Worte, wünschte mir für die Zukunft alles Gute. Aber sie brauchten mich nicht! Ich empfand solche Worte als blanken Hohn und meiner Familie war ich in jener Zeit wirklich keine Freude. Sie hatten es verdammt schwer mit mir in dieser Zeit. Einer, von den vielen, ein Geschäftsführer, ein junger Mann, fand nach Jahren des immer wieder nutzlosen Schreibens neuer Bewerbungen, endlich mal ein ehrliches Wort: „Sie haben zweifellos auf den Punkt genau die richtige Qualifikation und Berufserfahrung für die Stelle, die wir zu besetzen haben. Aber meine Gesellschafter haben mir aufgetragen, keinen einzustellen, der älter als 55 Jahre ist.“ Wir schrieben das Jahr 1997, ich war mittlerweile 58 Jahre alt und wieder mal außen vor!
Diese an‘s selbstzerstörerische grenzende Generierung von Negativ-Erlebnissen ging zwar bei mir weiter: Ich wollte ja noch einmal beruflich richtig durchstarten in dieser neuen Gesellschaftsordnung …
Aber irgendwie „lief“ mir da, um 1997/98 herum, die Information >Seniorenstudium an der Universität Leipzig< „über den Weg“. Das wurde für viele Jahre (selbst während Corona) für mich ein echter neuer Lebensinhalt, neben Familie und Sport. Da war zwar nichts zum „geliebten“ Thema Technik; aber da waren andere Themen bzw. Fachbereiche, die mich immer beschäftigt und interessiert hatten, für die ich aber in meiner aktiven Berufszeit einfach nicht die Zeit hatte. Oder die Art und Weise wie sie zu DDR-Zeiten unter dem Dogma der SED an Universitäten abgehandelt wurde, war „nicht mein Ding“.
Nein, jetzt in dieser neuen Zeit erfuhr ich auch von Anfang an in wohltuender Weise, was Bildungsfreiheit unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen bedeutet: FREIHEIT schlechthin und Freiheit des Denkens im besonderem. Ich empfand genau diese neue Bildungs-Ära quasi als Abrundung dessen, was ich im Herbst 1989 auf dem Leipziger Ring politisch mit erreicht hatte. Das erfüllt mich, auch heute noch, trotz einer großen Menge zwischenzeitlicher Widrigkeiten, immer noch mit Stolz. Ja, es war richtig, damals auf die Straße zu gehen und dem diktatorischen Gesellschaftssystem den Laufpass zu geben!
So konnte ich über die nunehr rund 25 Jahre im Seniorenstudium ganz allmählich für mich neue Lebensinhalte, fern von Gelderwerb entdecken. Ganz vorn rangierten bei mir die ganzen Studien-Jahre hindurch Geschichte, vorallem die Europas in den vergangenen 2000 Jahren in aller Breite und Tiefe; aber auch Philosophie, Politik- und Sozialwissenschaften und auch die Vervollkommnung meiner Kenntnisse in der Englischen Sprache waren und sind mir ganz wichtige Gebiete.
Ich weiß, es gibt für mich noch viel zu entdecken und ich weiß, die Universität Leipzig ist mir dabei immer ein zuverlässiger Begleiter.
Von Herzen sage ich Danke“