Es ist die aktuellste und bislang größte Datenerhebung zum Thema Suizidsterblichkeit während der COVID-19-Pandemie in Deutschland. Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Leipzig sowie des Uniklinikums Ulm und der Universität Wien haben Suizidtodesfälle der polizeilichen Kriminalstatistiken in den Bundesländern Sachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein von elf Millionen Einwohnern ausgewertet. Die Forschenden betrachteten die Daten von Anfang 2017 bis Ende 2021, um die Zeiträume vor und während der Pandemie miteinander vergleichen zu können. Die Ergebnisse wurden aktuell im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.
Aus der Vergangenheit ist bekannt, dass wirtschaftliche Krisen, Epidemien oder andere Bedrohungsszenarien die Suizidraten der betroffenen Menschen beeinflussen. Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurde daher eine Zunahme von Suiziden befürchtet. „Unser Ziel war es, belastbare Daten während der Covid-19-Pandemie zur Verfügung zu stellen - insbesondere zu spezifischen Risiken einzelner Altersgruppen und dem Geschlecht“, sagt Studienleiter PD Dr. med. habil. Daniel Radeloff und fasst einige wichtige Ergebnisse zusammen: „Insbesondere eine generelle Erhöhung der Anzahl der Suizide älterer Menschen im Vergleich zum vorpandemischen Zeitraum, zum Beispiel aus Vereinsamung aufgrund von Kontaktbeschränkungen, ließ sich nicht nachweisen. In der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen zeigte sich in unserer Analyse, analog zu Befunden aus Großbritannien, ebenfalls keine erhöhte Suizidrate.“
Bei den Männern sank die Anzahl der Gesamtsuizide im Zeitraum 2020 bis 2021 im Vergleich zu den Jahren 2017 bis 2019 leicht ab, bei den Frauen war ein leichter Anstieg der Suizide zu verzeichnen. In beiden Fällen war die Änderung jedoch nicht signifikant. Eine signifikante Reduktion ergab sich hingegen bei den Männern für die Altersspanne 81 bis 90 Jahre, ein signifikanter Anstieg für die über 90-Jährigen. Da die Merkmale männliches Geschlecht und hohes Lebensalter stark mit Suizid assoziiert sind, liegt bei dieser Gruppe ohnehin ein hohes Suizidrisiko vor, erklären die Wissenschaftler:innen.
Dr. Radeloff, kommissarischer Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Leipzig, betont: „Ein fortgeführtes Monitoring der Suizidraten erscheint sinnvoll, da auch in den kommenden Monaten und Jahren mit Begleit- beziehungsweise Folgeerscheinungen der aktuellen Krisen zu rechnen ist.“
Originaltitel der Publikation in Deutsches Ärzteblatt:
"Suizide in Deutschland während der COVID-19-Pandemie", DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0198
Hinweis: Wir bitten Journalist:innen, den Pressekodex der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention zur Veröffentlichungen zum Thema Suizidalität zu beachten.