Pressemitteilung 1999/074 vom

Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren hielt Prof. Dr. Kurt Biedenkopf als einer der ersten Politiker aus dem Westen eine Vorlesung an einer ostdeutschen Universität, und zwar in Leipzig, ehe er dann, wiederum als einer der ersten, im Frühjahr 1990 eine Gastprofessur erhielt und in überfüllten Hörsälen der Alma mater Lipsiensis über Marktwirtschaft, Wettbewerb, Gewerbefreiheit, politische Bedingungen im Rahmen einer Vorlesungsreihe referierte.

Besonders heraus stellte er dabei zwei positive Erfahrungen dieser zehn Jahre, zum einen, wie die Menschen im Osten die tiefgreifenden Strukturveränderungen tragen und letztlich meistern, und wie zum anderen sich in unspektakulärer Weise eine nationale Solidarität in Deutschland entwickelt hat zugunsten der ostdeutschen Länder. Biedenkopf ging auch auf das weniger Gelungene der Wiedervereinigung wie beispielsweise die Übernahme des krisengeschüttelten westdeutschen Hochschulsystems und sodann auf die großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft ein, die da lauten: Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, demographische Entwicklung und Aufsteigen des Wissens zur wichtigsten und knappsten Ressource auf der Welt.

Die Universitäten, so Biedenkopf, sind aufgefordert, diese Entwicklungen wissenschaftlich zu begleiten und bisherige Erfahrungen der Transformationsprozesse auszuwerten und aufzuarbeiten. Angesichts der zunehmenden Praxis eines lebenslangen Lernens fiele ihnen die Rolle einer "zentralen Einrichtung der Gesellschaft" zu. An die Universität Leipzig gewandt sprach er die Überzeugung aus, dass sich vor dem Hintergrund dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe die Verbindungen zwischen der Universität und dem Freistaat noch vertiefen werden, wodurch beide, das Land und auch die Universität Leipzig, gewinnen könnten.