Pressemitteilung I2020/023 vom

<p><strong>Leipzig/Jena/Minnesota. Eine h&ouml;here Pflanzenvielfalt in Wiesen verbessert die nat&uuml;rliche Abwehr gegen Sch&auml;dlinge. Sie unterst&uuml;tzt nat&uuml;rliche Fressfeinde und bietet gleichzeitig weniger nahrhaftes Futter f&uuml;r pflanzenfressende Insekten. Das fand ein Forschungsteam unter Leitung des Deutschen Zentrums f&uuml;r integrative Biodiversit&auml;tsforschung (iDiv) anhand zweier Langzeitexperimente in Deutschland und den USA heraus. Die Ergebnisse ihrer Forschung wurden in<em> Science Advances</em> ver&ouml;ffentlicht und zeigen, dass eine h&ouml;here pflanzliche Artenvielfalt zu einer verbesserten nat&uuml;rlichen Abwehr gegen Sch&auml;dlinge und somit auch zu einem geringeren Pestizideinsatz in der Landwirtschaft beitragen k&ouml;nnte.</strong></p>

Biodiversität – die biologische Vielfalt aller Arten auf der Erde, ihre Interaktionen und die vielfältigen Ökosysteme, die sie bilden – bildet die Grundlage für viele Ökosystemfunktionen und -leistungen von natürlichem oder auch durch den Menschen angelegtem Grasland. Je größer die Anstrengungen, die wachsende Weltbevölkerung mit Hilfe einer Intensivierung der Landwirtschaft zu ernähren, desto mehr geraten auch diese Ökosysteme unter Druck. Pflanzenfressende Insekten verursachen weltweit Einbußen von 18-26 % bei der Pflanzenproduktion, was zu einem starken Anstieg beim Einsatz umweltbelastender Pestizide führt.

Ein internationales Team von Forschern unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig (UL) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) hat untersucht, ob und wie eine erhöhte pflanzliche Vielfalt die negativen Auswirkungen von Pflanzenschädlingen vermindern kann. Dazu nutzten sie zwei Langzeitexperimente, die sich der Untersuchung der biologischen Vielfalt in Grasland-Ökosystemen widmen: das Jena Experiment in Thüringen und das Cedar Creek Biodiversity Experiment in Minnesota (USA). Zwei Jahre lang sammelten die Wissenschaftler Daten von diesen zwei vergleichbaren Experimenten und gewannen so tiefe Einblicke in die Struktur von Nahrungsnetzen in Monokulturen und artenreichen Wiesen. „Diese beiden Langzeitexperimente haben uns zu unschätzbaren Erkenntnissen verholfen, sowohl im Bereich der Grundlagen- als auch der angewandten Forschung. Und sie verdeutlichen, wie wichtig der Erhalt der Biodiversität ist“, sagt Letztautor Nico Eisenhauer, Professor an der UL und Forschungsgruppenleiter bei iDiv sowie Sprecher des Jena Experiments.

Artenreiche Pflanzengemeinschaften weniger attraktiv für Schädlinge

Die Forscher fanden heraus, dass Pflanzen in artenreichen Gemeinschaften deutlich weniger Energie durch pflanzenfressende Insekten verlieren. In Wiesen mit hoher Pflanzenvielfalt waren die Fraßmengen pro Gramm Pflanzenbiomasse um 44 % geringer als in Monokulturen. Für jedes Gramm der produzierten pflanzlichen Biomasse verloren die Pflanzen in artenreichen Gemeinschaften also nur knapp die Hälfte der Energie an pflanzenfressende Insekten, die Pflanzen in Monokulturen einbüßen. „Letztendlich bedeutet das bei einem Anbau von mehreren Pflanzenarten zusammen mehr pflanzliche Biomasse pro Quadratmeter und weniger Fraßschäden für die einzelnen Pflanzen“, erklärt Erstautor und iDiv-Alumnus Andrew Barnes, mittlerweile Dozent an der Universität von Waikato in Neuseeland.

Auf Flächen mit einer höheren Pflanzenvielfalt ist es weniger wahrscheinlich, dass pflanzenfressende Insekten ihre jeweilige Lieblingspflanze antreffen – was es auch weniger wahrscheinlich macht, dass sie auf diesen artenreichen Flächen bleiben bzw. in großen Mengen vorkommen. Darüber hinaus zeigten frühere Untersuchungen, dass die Pflanzen in Gemeinschaften mit einer höheren Artenvielfalt über weniger Gewebeproteine (Stickstoff) verfügen, was sie für Insekten weniger nahrhaft macht.

Fressfeinde profitieren von höherer Artenvielfalt

Zwar war in artenreichen Wiesen die Gesamtbiomasse der Pflanzenfresser höher, im Vergleich zu Monokulturen steigerte sich hier allerdings auch die Biomasse ihrer Fressfeinde und deren Fraßmenge, sie profitierten sogar wesentlich stärker. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass natürliche Feinde vieler Pflanzenschädlinge, meist Gliederfüßer wie Spinnen, Käfer und Wespen, in der komplexeren Umgebung artenreicher Flächen besser vor anderen Räubern wie Vögeln oder kleinen Säugetieren geschützt sind.

Eine höhere Artenvielfalt hat also gleich mehrere positive Nebeneffekte: Im Vergleich zu Monokulturen produzieren artenreiche Pflanzengemeinschaften mehr Gesamtbiomasse. Zudem reduzieren natürliche Fressfeinde und auch die geringere Ressourcenkonzentration die negativen Auswirkungen pflanzenfressender Insekten. „Mit anderen Worten: Eine größere Pflanzenvielfalt macht es Schädlingen auf zweierlei Weise schwer: Es gibt zum einen mehr Fressfeinde und zum anderen weniger von ihrem Lieblingsfutter. Das kann dazu beitragen, dass Fraßschäden auf natürliche Weise reduziert werden“, erklärt Andrew Barnes.

Natürliche Schädlingsbekämpfung durch mehr Pflanzenvielfalt

Im Gegensatz dazu können Insektizide zu einem Boomerang-Effekt führen, da diese die natürlichen Feinde der Schadinsekten schwächen. „Unsere Experimente zeigen, dass es mehrere Vorteile für den Pflanzenschutz hat, die pflanzliche Vielfalt zu erhalten. Das könnte eine wichtige Rolle dabei spielen, den Eintrag von Agrochemikalien zu reduzieren und die Produktivität der Pflanzen zu erhöhen“, sagt Andrew Barnes. Nico Eisenhauer fügt hinzu: „Im Grunde zeigt unsere Studie, dass wir, indem wir Biodiversität fördern, ein nachhaltiges Management von Ökosystemen unterstützen und das auch noch Vorteile für uns Menschen hat.“

Kati Kietzmann

 

Diese Forschungsarbeit wurde u.a. gefördert durch die DFG - Deutsche Forschungsgemeinschaft (FZT-118).

 

Originalpublikation
(Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation und Alumni fett)
A. D. Barnes, C. Scherber, U. Brose, E. T. Borer, A. Ebeling, B. Gauzens, D. P. Giling, J. Hines, F. Isbell, C. Ristok, D. Tilman, W. W. Weisser, N. Eisenhauer (2020). 'Biodiversity enhances the multitrophic control of arthropod herbivory. Science Advances, DOI: 10.1126/sciadv.abb6603