Pressemitteilung 1999/073 vom

Vor fünf Jahren setzte sich Privatdozent Dr. med. Eberhard Keller, Spezialist für Wachstumsstörungen aus der Universitätskinderklinik Leipzig, nach einer deutschlandweiten Ausschreibung um eine Stiftungsprofessur der Firma Serono Pharma GmbH gegenüber seinen Mitbewerbern durch.

Prof. Keller hatte sich nicht nur durch multizentrische Studien bei Patienten mit Wachstumshormonmangel und die Erfindung von Meßgeräten, mit denen man Wachstumsstörungen schon frühzeitig erkennen kann, einen Namen in der Fachwelt gemacht, sondern auch durch seine Bestrebungen, die Behandlung an der Universitätskinderklinik mit der Weiterbehandlung bei den niedergelassenen Kinderärzten, später dann auch an Kinderkrankenhäusern zu verbinden. Er entwickelte das sogenannte duale, dann triale System, das man wohl als einmalig in Deutschland bezeichnen kann.

Was verbirgt sich dahinter? Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass ein Kinderarzt in seiner Praxis mit seltenen, oft chronischen Erkrankungen, kaum ausreichende Erfahrungen sammeln kann, um in gebotener Schnelligkeit und Exaktheit diagnostizieren und behandeln zu können. Dann ist eine frühzeitige Überweisung an einen ausgewiesenen Spezialisten notwendig. Um Konflikte mit dem kassenärztlich tätigen Kinderarzt zu vermeiden, schlug Keller gemeinsam mit einem Dresdner Kollegen ein System vor, nach dem der Kinderarzt das chronisch kranke Kind in die Hände des Spezialisten gibt, der Spezialist die Diagnose stellt und ein Behandlungskonzept erarbeitet, das dann wieder über den behandelnden Kinderarzt in die Praxis umgesetzt werden soll. Später wurden in das bisherige duale System noch Kinderkrankenhäuser integriert, so dass man auf Grund der drei Partner jetzt vom trialen System spricht.

Die Einrichtung einer Abteilung Auxologie und das Triale System von Prof. Keller zur verbesserten Betreuung wachstumsgestörte Kinder stellen dafür einen Modellfall dar. Momentan bestehen mit 225 Kinder- und Schulärzten und zehn Kinderkliniken in Deutschland diesbezügliche Verträge, deren Grundlage ein Beschluß der Sächsischen Landesärztekammer vom 4. April 1992 ist. Damit das System auch funktioniert, müssen die niedergelassenen und klinisch tätigen Ärzte zum einen speziell geschult werden, zum anderen sind die am System Beteiligten zur gegenseitigen Information verpflichtet.

Woher weiß aber der niedergelassene Kinderarzt, wann er den zu kleinen oder zu großen Patienten an den Auxologen überweisen muss? Wieder fand Prof. Keller eine Lösung. Gemeinsam mit einer erzgebirgischen Firma entwickelte er ein Präzisionsmeßinstrument, an dem leicht abgelesen werden kann, ob ein Kind zu groß oder zu klein für sein Alter ist. Mit Hilfe von Sponsoren sorgte er dafür, dass in den mit ihm durch Vertrag gebundenen Kinderarztpraxen ein solches Gerät aufgestellt wurde, so dass der Kinderarzt rechtzeitig erkennen kann, wann er das Kind zum Spezialisten überweisen muss. Dieser kann dann nach gründlicher Untersuchung die Behandlung einleiten und diese mit dem überweisendem Kinderarzt abstimmen. Bei vielen Wachstumsstörungen kann den Kindern mittlerweile wirksam geholfen werden. Briefe von betroffenen Kindern an Prof. Keller legen Zeugnis davon ab.

Das triale System ist auch Grundlage für die wissenschaftliche Forschung. Die niedergelassenen Ärzte geben die regelmäßig erhobenen Wachstumsdaten ihrer Klientel anonymisiert an eine inzwischen von Prof. Keller eingerichtete Auxologische Datenbank weiter, und ermöglichen so ihre wissenschaftliche Auswertung. Auffällige Datensätze werden an den Kinderarzt zurückgemeldet, auf ihre Richtigkeit überprüft und bei Einverständnis der Sorgeberechtigten an einen Wachstumsspezialisten ihrer Wahl geschickt, der gegebenenfalls das betroffene Kind genau untersucht und eine Behandlung einleitet. 109 Kinderärzte und Kinderkliniken beteiligen sich bisher an diesem Projekt, wobei von 68 Einrichtungen bereits Daten zur Auswertung vorliegen.

Die auxologische Datenbank ist von unschätzbaren Wert für statistische Erhebungen. Danach konnte festgestellt werden, dass von September 1998 bis September 1999 in den 68 Einrichtungen 30.182 Patienten erfaßt worden sind, von denen insgesamt 2.188, das sind 7,24 Prozent, in bezug auf ihr Größenwachstum auffällig waren. Davon sind 3,01 Prozent hochwüchsig und etwas mehr, 3,76 Prozent, kleinwüchsig. Eingabe- bzw. Übermittlungsfehler, die zu unplausiblen Auswertungen führten, gab es nur in 0,47 Prozent der Fälle. Multizentrische Studien über verschiedene Strategien vervollständigen die erfolgreiche Arbeit Prof. Kellers und seines Teams.

Dem entsprach nun auch die Firma Serono Pharm, indem sie die Stiftungsprofessur nunmehr um weitere fünf Jahre verlängerte - das ist einmalig an der Universität Leipzig. Prof. Keller kann nunmehr mit seinen Mitarbeitern die Abteilung Auxologie weiter ausbauen. Anläßlich der Verlängerung der Stiftungsprofessur gab es ein wissenschaftliches Symposium, auf dem das Triale System erstmalig für die Öffentlichkeit als Kompetenznetzwerk für Wachstumsstörungen demonstriert wurde.