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Ein internationales Forschungsteam hat einen entscheidenden Mechanismus hinter dem Jo-Jo-Effekt entdeckt. Fettzellen speichern in ihrem Zellkern Erinnerungen an Fettleibigkeit. Diese Erinnerungen bleiben auch nach einer Diät bestehen und machen es wahrscheinlicher, erneut zuzunehmen. Die Ergebnisse, an denen auch Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Leipzig beteiligt waren, sind im renommierten Forschungsjournal Nature publiziert worden.

Wer ein paar zusätzliche Kilos auf die Waage bringt und sich einmal an einer Diät versucht hat, kennt das Phänomen: Die Pfunde purzeln zwar, schon nach wenigen Wochen sind sie aber wieder da. Der Jo-Jo-Effekt hat zugeschlagen. Forschende unter Federführung der ETH Zürich konnten nun zeigen, dass dieses Phänomen mit der Epigenetik zu tun hat. Die Epigenetik ist jener Teil der Genetik, der nicht auf der Abfolge der Gen-Bausteine beruht, sondern auf kleinen, aber charakteristischen chemischen Markierungen an diesen Bausteinen. Die Abfolge der Bausteine hat sich im Lauf der Evolution über einen langen Zeitraum herausgebildet, wir alle haben sie von unseren Eltern geerbt. Epigenetische Markierungen hingegen sind dynamischer: Umwelteinflüsse, Ernährungsgewohnheiten und der Zustand des Körpers – wie zum Beispiel das Gewicht – können sich im Lauf des Lebens verändern. Sie bleiben über viele Jahre, mitunter Jahrzehnte stabil. In dieser Zeit bestimmen sie wesentlich mit, welche Gene in unseren Zellen aktiv sind und welche nicht. 

Gedächtnis an hohes Gewicht

Die Forschenden suchten bei Mäusen nach den molekularen Ursachen des Jo-Jo-Effekts. Sie erforschten dazu Fettzellen von übergewichtigen Mäusen und solchen, die nach einer Diät ihr Übergewicht verloren hatten. Dabei konnten sie zeigen: Fettleibigkeit führt zu charakteristischen epigenetischen Markierungen im Kern der Fettzellen. Das Besondere: Auch nach einer Diät bleiben diese Markierungen bestehen. So konnten die Forschenden zeigen, dass Mäuse mit dieser epigenetischen Markierung schneller Gewicht zulegten, wenn sie wieder Zugang zu fettreicher Nahrung hatten. 

Auch beim Menschen gibt es Hinweise, die den Mechanismus zu bestätigen scheinen: Die Forschenden analysierten Fettgewebs-Biopsien von ehemals übergewichtigen Personen, die sich einer Magenverkleinerung oder einer Magenbypass-Operation unterzogen hatten. Die Gewebeproben stammen aus verschiedenen Studien, die am Karolinska-Institut in Stockholm und an der Universitätsmedizin Leipzig durchgeführt wurden. In diesen Proben untersuchten die Forschenden nicht die epigenetischen Marker, sondern die Genaktivität. Die Ergebnisse stimmen jedoch mit jenen der Mäuse überein. 

Prävention ist der Schlüssel

Derzeit ist es nicht möglich, die epigenetischen Markierungen im Zellkern mit Medikamenten zu verändern und damit das epigenetische Gedächtnis zu löschen. „Gerade weil es den Gedächtniseffekt gibt, ist es so wichtig, Übergewicht von vornherein zu vermeiden. Es ist wahrscheinlich einfacher, ein ungünstiges epigenetisches Gedächtnis zu verhindern, als nach der Entstehung von Adipositas dieses wieder rückgängig zu machen“, sagt Prof. Matthias Blüher, Professor für klinische Adipositas an der Universität Leipzig und Mitautor der Studie.

In der aktuellen Publikation haben die Forschenden zum ersten Mal gezeigt, dass Fettzellen ein epigenetisches Gedächtnis für Fettleibigkeit besitzen. Sie gehen aber nicht davon aus, dass die Fettzellen die einzigen Zellen mit einem solchen Erinnerungsvermögen sind. Es wäre denkbar, dass sich auch Zellen im Gehirn, in den Blutgefäßen oder weiteren Organen an Fettleibigkeit erinnern und zum Effekt beitragen. 

Originalpublikation in Nature: 

“Adipose tissue retains an epigenetic memory of obesity that persists after weight loss”, doi: 10.1038/s41586-024- 08165-7