1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Die unzähligen Gebäude und Räume stellen wohl für jeden Studienanfänger eine Herausforderung dar, aber im Endeffekt habe ich mich schnell zurechtgefunden – immerhin wurde man mit allerhand Wegbeschreibungen und Karten versorgt. In meinem ersten Semester (2006/07) war das Seminargebäude noch nicht saniert und auch sonst war an einigen Ecken des Campus noch ein gewisser DDR-Charme zu erahnen, aber der Gründerzeitbau, in dem sich das Orientalische Institut befindet, war zu diesem Zeitpunkt schon erneuert und wurde bald ein Ort, der durch seine überschaubare Größe ein bisschen Ruhe vor dem Trubel der restlichen Universität bot. Außerdem lag mit dem Rossplatz auch eine grüne Oase direkt vor der Tür.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Mich erinnerte das Studium sehr – und gar nicht im negativen Sinne – an eine bessere Schule: Man lebt und lernt zusammen mit Altersgenossen, nur hat man sich diesmal selbst ausgesucht, um welche Themen es geht. Am interessantesten fand ich jedoch das wachsende Bewusstsein um Wissen und Information ganz allgemein, woher wir unsere Erkenntnisse haben, und dass es unendlich viele Dinge gibt, über die man sich belesen und die man erforschen kann.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Ich habe nie gezweifelt, dass mich die Arabistik interessiert, aber die andere Frage – wie man später davon leben kann – schwebt mir bis heute vor Augen. Einerseits bin ich dieser unterschwelligen Panik mit stoischem Weiterarbeiten begegnet, andererseits kristallisieren sich wohl bei vielen Studenten mit der Zeit diejenigen Bereiche, Themen und Beschäftigungen heraus, die einen am meisten interessieren und anhand derer man sich weiter orientieren kann.

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

Kurze und etwas absurde Antwort: Arabistik stand weit oben in der Liste der Studiengänge und hatte damals keine Zugangsbeschränkung – das ist noch nicht einmal gelogen. Aber im Ernst: Ich hatte damals eine unscharfe Vorstellung von journalistischer Arbeit mit Spezialisierung auf den Nahen Osten. Osama bin Laden war noch am Leben und die ganzen Konflikte erweckten den Anschein, als könnte die Welt ein paar Spezialisten gebrauchen. Im Verlauf des Studiums hat sich das jedoch stark gewandelt und ich bin bei eher (religions-)geschichtlichen und handschriftenkundlichen Bereichen gelandet. Meine jetzige Stelle, als eine Art Handschriftenforscher, passte wunderbar dazu.

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Abgesehen von Nebenjobs und Praktika waren wichtige Stationen meine BA- und MA-Abschlüsse. Viel gelernt habe ich auch während meiner Promotionszeit im Rahmen eines eigenen kleinen von der DFG finanzierten Forschungsprojektes. Das Thema war die Auflistung islamischer Sekten und Strömungen in einer frühen arabischen Enzyklopädie aus dem 10. Jh., von der wir eine sehr alte Abschrift in der Universitätsbibliothek Leipzig haben – ein sehr spannendes Feld und ich habe sehr viel gelernt, nicht zuletzt dank der intensiven Betreuung durch meine Doktormutter am Orientalischen Institut. Direkt nach der Abgabe der Doktorarbeit Anfang 2016 habe ich dann meine neue Stelle in Hamburg angetreten.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Da ich in einem Forschungsprojekt zu islamischen Handschriften arbeite, genauer gesagt zu kleinen Koranhandschriften, könnte der Zusammenhang zu meinem Studium kaum größer sein. Dennoch lerne ich auch jetzt noch dazu.

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Mein Arbeitsweg mit dem Fahrrad ist fast immer gleich, doch sobald ich im Büro bin, beschäftigen mich – je nach Notwendigkeit – viele verschiedene Angelegenheiten: Ich belese mich und recherchiere zu Aspekten meines Forschungsprojektes, organisiere Dienstreisen dafür, bereite mich für Konferenzen bzw. Workshops vor, diskutiere mit meinen Kollegen aus anderen Teilprojekten, damit wir voneinander lernen können (das ist einer der lohnendsten Aspekte meiner Arbeit an einem Sonderforschungsbereich), schreibe an wissenschaftlichen Artikeln und erledige die vielen kleinen anderen Dinge, die sich noch anhäufen.

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

Die wichtigsten Kompetenzen sind wohl meine arabistische bzw. islamwissenschaftliche Ausbildung, das wissenschaftliche Arbeiten generell (also z. B. zu wissen, wie man an Informationen gelangt, welche Fragen an einen Forschungsgegenstand zu richten sind, wie man tendenziöse Sichtweisen erkennt und vermeidet usw.) und die Fertigkeit, viele parallel laufende Dinge koordinieren und organisieren zu können. Gut mit Menschen umgehen zu können schadet allerdings auch nicht, wenn man jeden Tag mit ihnen zu tun hat und auf Austausch angewiesen ist.

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege,
Bewerbungstipps, etc.)?

Ich sehe eine „Branche“ für Arabisten und Islamwissenschaftler höchstens im akademischen Feld selbst und da zählen meiner Erfahrung nach frühzeitiges Kontakteknüpfen und gute Leistungen, die entsprechend selbstbewusst publik gemacht werden: Gutes tun und darüber reden, wie man so schön sagt. Ich denke aber, dass diese zwei Aspekte in den meisten Berufsbereichen nützlich sind. Ich selbst würde auch immer versuchen, ehrlich aufzutreten und mich weder unter Wert zu verkaufen, noch so zu tun, als wäre ich größer, als ich wirklich bin.

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?

Ich denke, dass man nur schlecht in einem Beruf durchhält und eine gute Arbeit macht (ganz zu schweigen von „die Welt verbessern“), wenn er nicht den eigenen Interessen entspricht. Diese eine Sache, die einem Spaß macht, in die man auch abends noch mal aus freien Stücken Zeit investiert, findet man aber vermutlich nicht sofort. Daher sehe ich es gar nicht so tragisch, wenn man sich zu Beginn noch mal umorientiert und z. B. den Studiengang wechselt. Ich sehe das universitäre Studium aber dennoch als eine auf einen Beruf hinführende (oder diesen wenigstens indirekt unterstützende) Ausbildung. Natürlich kann man sich auch unbeschwert in den Unialltag stürzen und irgendetwas studieren, das gerade interessant scheint, aber eine spätere wirtschaftliche Absicherung völlig auszublenden hielte ich persönlich für etwas zu blauäugig.

  • Name: Cornelius Berthold
  • Geburtsjahr: 1987
  • Studiengang: Arabistik
  • Jahr der Immatrikulation: 2006
  • Jahr der Exmatrikulation: 2016
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sonderforschungsbereich 950: Manuskriptkulturen in Asien, Afrika und Europa (Uni Hamburg)

Interview Stand Mai 2017