1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Ich hatte bereits das Glück mein Erasmus-Jahr in Leipzig zu verbringen, daher war – zumindest die Stadt – nicht mehr neu für mich. Da ich nicht zum eigentlichen Datum des Eignungstestes für den Master nach Leipzig kommen konnte, war mein erster Eindruck im September eine Testsituation gemeinsam mit zwei anderen zukünftigen Kommilitonen. Die Tests waren nicht leicht, aber die Dozenten, welche sie durchführten, waren sehr freundlich und positiv eingestellt.

Da ich als Auslandsstudent nach Leipzig kam, wurde ich vom Akademischen Auslandsdienst ganz besonders betreut und man half mir sehr. Aber auch die Dozenten waren sehr aufmerksam und führten uns (ich war Quereinsteiger aus einem anderen Fach) behutsam in die Dolmetschtechniken ein.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Leider chaotisch. Wir waren der erste Masterstudiengang und es gab sehr viele Anlaufschwierigkeiten. Gemeinsam mit den Dozierenden und der Leitung des Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie konnten wir aber gute Lösungen für alle Beteiligten finden.

Und herausfordernd. Es wurde in den zwei Jahren viel von uns verlangt und wir haben viel in Lerngruppen zusammengesessen. Aber auch das war eine gute Vorbereitung auf das Berufsleben als Konferenzdolmetscher.

3. Was würden Sie studieren, wenn Sie heute noch einmal studieren könnten? Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt?

Konferenzdolmetschen war für mich bereits die „zweite Wahl“. Eine zweite Wahl, die ich bisher nicht bereut habe. Es war ein tolles Studium und ein ganz wunderbarer Beruf.

4. Womit konnte man Sie immer vom Lernen abhalten?

Plaudern. Da wir viel in Lerngruppen waren, haben wir natürlich auch viel geplaudert. Aber: Aus diesem Plaudern wurden Freundschaften und auch professionelle Kontakte. Es ist wunderbar mit Freunden arbeiten zu dürfen.

5. Welche Motivationen haben Ihre Studien- und Berufswahl bestimmt?

Meine persönliche Erfahrung. Mein Großvater war sehr aktiv in einer deutsch-französischen Städtepartnerschaft und da ich seit meiner Kindheit Französisch und Deutsch spreche, wurde ich oft „vorgeschoben“, um mal „schnell zu übersetzen“.

6. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

  • Nach dem Studium waren es einfach mehr oder weniger zufällige Begegnungen mit Kolleg:innen, Arbeitsverbänden und potentiellen Kund:innen. Das Netzwerken unter Kolleg:innen ist ungemein wichtig! Ich hatte das Glück, bereits während meines Studiums mein Netzwerk in Leipzig auszubauen und so kam ich zu meinen ersten „richtigen“ Aufträgen.
  • Meine ersten Aufträge erhielt ich aber über eine sehr erfahrene Kollegin, die mir einfach eine Chance geben wollte. Dann lernte ich zwei wunderbare Kollegen in Leipzig kennen, die „inoffiziell“ meine Dolmetscher- und Übersetzermentoren sind. Sie haben mir sehr in meiner Anfangszeit geholfen und diese Freundschaften schätze ich auch heute noch.

7. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Da meine persönliche Studienerfahrung eben durch den chaotischen Aspekt des ersten Masterstudienganges geprägt war, muss ich zugeben, dass mir das sehr für das Berufsleben geholfen hat. Der freie Markt ist auch oftmals chaotisch und man muss sehr schnell reagieren. Natürlich waren aber auch die Studieninhalte sehr wichtig. Der systematische Einstieg ins Notieren oder die intensiven Trainingssituationen waren sehr wichtige Grundsteine meines Arbeitsalltags. Dazu auch die ersten Fachglossare, die gemeinsam mit den Kommiliton:innen ausgearbeitet wurden oder verschiedene Dolmetschsituationen in Museen oder auf Rundgängen. Man kann sich als Student nicht vorstellen, unter welch widrigen Bedingungen man manchmal Notizen machen und dolmetschen muss.

8. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Es gibt (Gott sei Dank!) keinen typischen Arbeitstag. Jeder Einsatz ist für sich gesehen neu. Natürlich wendet man dieselben Techniken an, aber die Inhalte sind selten gleich. Kund:innen können sich so viele wunderbar komplizierte Satzstrukturen einfallen lassen und es gibt immer etwas Unvorhergesehenes. Ob man nun „bequem“ in der perfekten Dolmetschkabine sitzt oder neben einer Maschine in eine Personenführungsanlage (PFA) brüllt, es sind alles Aspekte des „Alltags“ eines Konferenzdolmetschers. Das macht diesen Beruf für mich so spannend.

9. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

  • Neugierde
  • Spontanität / Flexibilität
  • Stressresistenz

10. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps)?

Man muss Netzwerkmöglichkeiten mit Kolleg:innen nutzen. Mein Berufseinstieg ging zum Großteil über Kolleg:innen, mit denen ich mich unterhalten habe – sei es auf Treffen eines Berufsverbandes oder spontan bei einer Tasse Kaffee. Mentoringprogramme sind hier sicherlich auch sehr hilfreich.

11. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger:innen mit auf den Weg geben?

  • Verkaufen Sie sich keinesfalls unter Wert – auch nicht als Student:in! Sie sägen sonst selbst den Ast ab, auf den Sie sich später setzen wollen.
  • Sie werden für einen Auftrag sehr viel Zeit investieren und auch wahrscheinlich viel Stress erfahren, bedenken Sie dies bitte!
  • Versuchen Sie früh mit erfahrenen und professionellen Kolleg:innen ins Gespräch zu kommen! Auch hier sind die Berufsverbände ein Weg von vielen.

Persönliche Angaben

  • Name: Daniel Bintener
  • Jahr der Immatrikulation: 2009
  • Jahr der Exmatrikulation: 2012
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Selbstständiger Konferenzdolmetscher

(Interview Stand Oktober 2022)