zur Vergrößerungsansicht des Bildes: In der Dolmetschtrainingsanlage mit Andrea Röher und Petra Riesiger, die nebeneinander sitzen, Foto: Universität Leipzig
In der Dolmetschtrainingsanlage mit Andrea Röher und Petra Riedinger, Foto: Universität Leipzig

 „Ich war heute wieder vier Stunden im Keller“, erzählt Andrea, „zum Studieren“. Die Dolmetschtrainingsanlage der Studierenden des Masterstudiengangs Konferenzdolmetschen des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie befindet sich im Untergeschoss des Neuen Augusteums. Andrea studiert im 4. Semester mit der Sprachkombination Spanisch und Französisch. Die Studierenden organisieren jede Woche im Semester eine Mock-Konferenz, die für alle Interessenten geöffnet ist. Hier können Sie lesen, worum es sich dreht – bei der Konferenz und beim Dolmetschen überhaupt ... 

Mock-Konferenz: Heißt to mock nicht verspotten? 

Hier fängt es bereits an: Sprachliche Nuancen und die Vielfältigkeit der Entsprechungen müssen jeder Dolmetscherin und jedem Dolmetscher bewusst sein. „Mock“ kommt aus dem Englischen und bedeutet hier so viel wie „nachgemacht“ oder „simuliert“. 

Jede Woche veranstalten wir Dolmetschstudierenden eine Mock-Konferenz, zu der wir externe Redner einladen. Die Themen sind sehr vielfältig und reichen von Physik und Geografie über Musik, Sprachwissenschaft und Politik bis hin zur Medizin. Wir dolmetschen die Vorträge simultan (also gleichzeitig in der Kabine) in unsere Arbeitssprachen. Die Zuschauer können wählen, welcher Sprache sie lauschen möchten. 

Die Mock-Konferenz gibt uns die Möglichkeit, das Dolmetschen unter nahezu realen Bedingungen zu üben und auch mal vor „echtem“ Publikum zu dolmetschen, das die Originalsprache vielleicht nicht versteht, da auch Muttersprachler anderer Sprachen bei uns vortragen.

Blackout oder eine vergessene Vokabel – was nun?

Trotz intensiver Vorbereitung auf das Thema kann es vorkommen, dass man mal ein Wort bzw. seine Entsprechung nicht kennt. Das ist aber nicht schlimm. Durch den Kontext kann man sich vieles erschließen und bei den berühmten „Wortfindungsstörungen“ muss man sprachlich flexibel reagieren und improvisieren. 

Außerdem sitzen wir immer zu zweit in der Kabine, so dass die Kabinenpartnerin oder der Kabinenpartner, die oder der gerade nicht dolmetscht, schwierige Wörter schnell aufschreiben kann. Besonders bei Zahlen oder langen Aufzählungen ist die Kooperation in der Kabine wichtig. Nicht reden heißt also noch lange nicht „Pause haben“: Solange man in der Kabine sitzt, muss man zu 100 % anwesend und jederzeit einsatzbereit sein (Extremfall: Hustenanfall, Lachanfall oder Verlust der Stimme der Kabinenpartnerin oder des Kabinenpartners).

Was sind die größten Herausforderungen beim Dolmetschen?

In unserem Studium lernen wir vordergründig nicht die Sprachen an sich, sondern die Techniken des Dolmetschens. „Du kannst doch die Sprache, also kannst du auch dolmetschen“ ist so nämlich nicht richtig. Zum Dolmetschen gehört eine ordentliche Portion Sprachgefühl, kulturelles Bewusstsein und die Bereitschaft, sich extremen Stresssituationen auszusetzen. Immerhin müssen wir hören, erfassen, umwandeln und wiedergeben, und das auch noch gleichzeitig. Das Erkennen von sprachlichen sowie nonverbalen Nuancen und deren Übertragung in die andere Sprache erfordern viel Übung und Feingefühl. 

Eine besondere Herausforderung stellt auch der Ausdruck in der Muttersprache dar. Wie rede ich den Bundespräsidenten an? Soll ich hier gendern? Hat dieses Verb einen Genitivanschluss? Sage ich bei / auf / während der Tagung? Ist dieses Sprichwort überregional bekannt?

Zurück zur Verspottung – gibt es das?

Im Eifer des Gefechts passiert es natürlich ab und an, dass Deutschland auf einmal 80 Milliarden Einwohner hat, die Arbeitslosenquote steigen muss, die Treibhausgase den Klimawandel stoppen oder Österreich zu Australien wird. Wir lachen gern, auch über uns selbst, aber keiner wird ausgelacht oder verspottet. Vielmehr helfen wir uns gegenseitig, geben uns Feedback und versuchen gemeinsam, gute Dolmetscherinnen und Dolmetscher zu werden.

Dolmetscht man bereits im Bachelor?

Gegen Ende des Bachelorstudiums Translation gibt es eine Einführung ins Dolmetschen, bei der man herausfinden kann, ob man für das Dolmetschen geschaffen ist oder nicht. Hierbei schrecken manche schon vor der bloßen Vorstellung zurück, eine Aufnahme der Verdolmetschung mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen gemeinsam anzuhören; andere blühen auf und freuen sich, dass sie sprachlicher Mittler sein dürfen und gehört werden. 

Andrea Röher

Veranstaltungen wie die Mock-Konferenz werden auf der Homepage www.uni-leipzig.de/ialt angekündigt.