1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Der Start in Leipzig war schön. Die Stadt kannte ich kaum, das Institut gar nicht. Im Studiengang waren wir sechs Masterstudenten, die unterschiedliche Bachelorstudiengänge absolviert hatten. Schnell entstand eine familiäre Atmosphäre und von Anfang an haben wir uns gegenseitig unterstützt. Das wurde auch durch unsere Dozenten sehr gut gefördert.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Ich hatte in meinem ganzen Studium in Leipzig viel Freiheit, Zeit und Unterstützung, um mit Neugier verschiedenen Fragen nachgehen zu können. Die Atmosphäre am Institut hat es mir leicht gemacht, eigene Forschungsfragen zu entwickeln und umzusetzen. So habe ich zu Vorurteilen und der Rolle von Religion bei der Sklavenbefreiung in den USA geforscht, aber auch zur Religionssoziologie arbeiten können. Ich habe an einem Forschungsprojekt teilgenommen, zu dem ich am Ende meine Masterarbeit schreiben konnte. Ich bin noch heute sehr dankbar, dass mein Studium mir erlaubt hat, Neugier und Prüfungsanforderungen miteinander verbinden zu können.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Gezweifelt habe ich an meiner Wahl nie. Ich wollte immer studieren, was mich interessiert. Dass nicht sofort offensichtlich sein wird, in welchen Beruf mich mein Studium führen wird, war mir vorher klar und ich fand das nicht schlimm. Lieber habe ich nebenher in vielen verschiedenen Firmen und Projekten gearbeitet, um zu testen, was ich beruflich machen kann und möchte. Auch wenn ich keinen Beruf als Religionswissenschaftler ergriffen habe, das Studium war mir immer ein hilfreiches Werkzeug. Das habe ich schon im Bachelorstudium gemerkt und auch deshalb nie ernsthaft an meiner Studienwahl für den Master gezweifelt.

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

Ganz einfach Neugier: Ich habe in Rostock Geschichte und Religionswissenschaft studiert, in Leipzig meinen Master in Religionswissenschaft gemacht. Ich wollte einerseits die Vergangenheit besser verstehen können und andererseits besser Religion(en) verstehen. Der Schritt nach Leipzig kam, weil ich vertiefend Religionspsychologie studieren wollte. Stattdessen habe ich mich auf die Religionssoziologie konzentriert, was so für mich auch nur in Leipzig mit dem Lehrstuhl für Religionssoziologie an der Theologischen Fakultät möglich war. Dabei hat sich vieles einfach ergeben. Ich hatte in Leipzig alle Freiheiten, hätte auch über Religionen in anderen Teilen der Welt studieren können. Das war alles eher ein fließender Prozess, kein zielstrebig geplantes Studium. Meine Berufswahl ergab sich mehr aus meinen Nebenjobs: Ich habe nach dem Master ein Volontariat bei einer Tageszeitung gemacht. Das ging aber nur, weil ich schon während des Studiums immer wieder für Zeitungen gearbeitet habe. Als Marketing-Manager habe ich auch schon während meines Studiums gearbeitet und so erste Berufserfahrung gesammelt. 

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Zum einen zwei wissenschaftliche Nebenjobs als Student, in denen ich für ein Max-Planck-Institut und an der Universität Leipzig als Wissenschaftliche Hilfskraft arbeiten konnte. Dabei habe ich mich selbst testen können, ob ich in der Wissenschaft arbeiten und an der Universität bleiben möchte. Mit Jobs im Marketing und Journalismus habe ich mir nebenher ein wenig Geld verdient und wichtige Erfahrungen sammeln können. Ich glaube, nur deshalb - und mit sehr viel Glück - habe ich den Übergang von der Universität in den Beruf fast nahtlos geschafft und wusste ein wenig besser, in welche Richtung ich beruflich gehen möchte.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

In der Religionswissenschaft habe ich mich recht früh auf die Religionssoziologie konzentriert, deren Handwerkszeug und Methoden mir immer wieder helfen. Strukturiert arbeiten, Zusammenhänge entdecken und sich selbst in ein neues Thema in kurzer Zeit tief einarbeiten können habe ich im Studium gelernt. Am meisten profitiere ich aber sicherlich davon, dass Religionswissenschaft sehr international ist. Texte auf Englisch lesen, meine Ideen und Konzepte strukturiert auf Englisch zu präsentieren hilft mir in meinem Beruf jetzt immer wieder weiter. Ich arbeite in einer deutschen Filiale eines dänischen Unternehmens und muss mit meinen Kollegen aus aller Welt täglich auf Englisch kommunizieren. Dass ich mich oft engagiert habe, in der Fachschaft oder bei Forschungsprojekten hat mir vielleicht auch geholfen, meine Arbeitgeber zu überzeugen.

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Projektgebunden, also sehr ähnlich einem Universitätsalltag. Kleinere Aufgaben erledige ich meist morgens, dann sortiere ich meine Informationen aus verschiedenen Projekten, koordiniere Aufgaben oder helfe Kollegen, ihre Ziele zu erreichen. Einen wichtigen Teil nimmt auch das Messen von Kampagnen und Projekten ein, die ich immer wieder auf ihren Erfolg prüfen muss. Die Projekte dominieren aber meinen Alltag, sie sind so vielfältig, dass kaum Routine aufkommt.

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

Strukturiert arbeiten, Kreativität und komplexe Sachverhalte sinnvoll kommunizieren können.

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

Ganz egal ob im Journalismus oder Marketing: Praxis zählt. Ich habe bei vielen Projekten mitgemacht und mich nicht darum gekümmert, ob ich in der Regelstudienzeit fertig werde. Erst beim Master war mir das wichtig, in Leipzig ließ mir das Studium aber viel Zeit, Projekte und Studium ausgewogen zu verbinden. Auch wenn Eltern, Prüfungsamt und andere Druck machen, würde ich empfehlen, lieber ein oder zwei Semester länger zu studieren und dafür ein paar Dinge zu tun, die man machen möchte – etwas auszuprobieren. Projektarbeit kann ein wichtiger Baustein für einen Start ins Berufsleben werden und dabei helfen, eigene Interessen und Fähigkeiten zu entdecken. Ob dadurch das Studium verlängert wird, danach fragt später niemand mehr. Probiert euch und eure Neigungen aus, scheitert und macht weiter. Das ist im Studium viel einfacher, als später im Beruf.

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?

Lest niemals Texte über die Karrierechancen von Geisteswissenschaftlern und habt Mut! Außerdem: Ein Geisteswissenschaftler ist und bleibt in erster Linie ein Wissenschaftler. Methoden sicher zu beherrschen ist das wichtigste Rüstzeug eines Wissenschaftlers und das ist Gold wert.

Zweitens: Lasst euch nicht einreden, euer Studium befähigt euch nur zum Taxifahren. Viele Kompetenzen, die man sich im Studium aneignet, helfen auch im Beruf weiter. Welche genau das sind, ist nicht immer auf den ersten Blick klar und auch Personalchefs und Unternehmen wissen meist selbst nicht so genau, welche Fähigkeiten Studenten von Fächern der Geisteswissenschaft mit ins Unternehmen bringen können. Das könnt ihr aber am besten wissen, in dem ihr euch im Studium ausprobiert und nach und nach lernt, was euch liegt und was nicht.

Persönliche Angaben

  • Name: Sebastian Prill
  • Geburtsjahrgang: 1984
  • Studiengang: Religionswissenschaft, Master of Arts (Universität Leipzig)
  • Jahr der Immatrikulation: 2010
  • Jahr der Exmatrikulation: 2012
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Abena GmbH/ Marketing Manager Schwerpunkt Online-Marketing

(Interview Stand Februar 2016)