1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Zum allerersten Mal war ich zur Einschreibung für die Anglistik-Seminare an der Uni Leipzig, im damals noch nicht renovierten Uniriesen. Das war schon sehr beeindruckend, weil ich das Gebäude vorher immer nur von außen gesehen hatte und nun mitten drin nach dem richtigen Raum für die Anmeldung suchen musste. Zum Glück hab ich den dann doch noch gefunden. Ganz anders war es dagegen in der Sinologie. Da war alles sehr übersichtlich und man kannte sich ziemlich schnell beim Namen und das nicht nur im eigenen Studiengang. Auch in den höheren Semestern hat man sehr schnell Freunde gefunden, die bei Anfangsschwierigkeiten geholfen und gute Tipps gegeben haben.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Ich habe während meines Studiums neben dem anglistischen und sinologischen Fachwissen (Geschichte, Gesellschaft, Sprache) vor allem gelernt selbständig zu arbeiten: Eigenverantwortung übernehmen, Studienplan zusammenstellen, Hausarbeiten rechtzeitig abgeben usw. Auch wenn man aus manchen Kreisen gelegentlich hört, Studenten würden immer bis mittags schlafen und die Nächte durchfeiern, ist besonders Selbstdisziplin für ein erfolgreiches Studium sehr wichtig. Spaß gehört natürlich auch mit dazu…

Zu den wichtigsten Erlebnissen meines Studiums zähle ich den Auslandsaufenthalt in China, der durch ein Austauschprogramm zwischen der Uni Leipzig und der Fremdsprachenhochschule Tianjin möglich war.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Ich glaube, jede/r zweifelt irgendwann an seiner/ihrer Studienwahl. Bei mir war das der Fall, als sich das Grundstudium dem Ende neigte, die Zwischenprüfungen vor der Tür standen und ich für ein Jahr nach China sollte. Mir war klar, dass ich ohne Auslandsaufenthalt sprachlich nicht weiter kommen würde, aber andererseits hatte ich natürlich auch Angst. Ein ganzes Jahr weg aus Deutschland… Dann hat sich diese Angst aber von allein gegeben, als ich dann tatsächlich in China war und von dieser anderen Kultur vollkommen überwältigt wurde. Später habe ich nicht wieder an der Wahl meines Studiengangs gezweifelt. Eher im Gegenteil: Das Studium hat mir sehr viel Spaß gemacht.

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

In erster Linie fand ich China natürlich sehr faszinierend: Die andere Kultur, die Schriftzeichen, das Essen. Aber ich hatte auch die wirtschaftliche Entwicklung im Hinterkopf, als ich mich für Sinologie entschied. Und Englisch fand ich seit dem Catcher in the Rye einfach klasse.

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Direkt nach dem Studium war ich dank dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ein weiteres Jahr an der chinesischen Sun Yatsen-Universität in Guangzhou als Sprachassistentin tätig. Das heißt, ich habe die DAAD-Lektorin bei der Durchführung des Deutschunterrichts, bei der Leitung der deutschen Bibliothek und bei Prüfungen unterstützt. Ich habe während der Zeit in Guangzhou nebenbei ein Praktikum bei der deutschen Außenhandelskammer gemacht und hatte damit eine gute Grundlage für meine Bewerbung bei einem Sprachendienstleister. Nachdem ich dort zwei Jahre als Projektmanagerin gearbeitet hatte, habe ich mich als Übersetzerin für die Sprachen Chinesisch und Englisch selbständig gemacht.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Die Grundlage meiner Tätigkeit als Übersetzerin sind meine Sprachkenntnisse, aber auch meine landeskundlichen und kulturellen Erfahrungen, die bei der Übersetzung vieler Texte immer wieder wichtig sind, um Zusammenhänge richtig verstehen und übersetzen zu können. Ohne mein Studium könnte ich meinen jetzigen Beruf also nicht ausüben.

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Da ich als Freiberuflerin tätig bin, kann ich meinen Arbeitstag so gestalten, wie ich es möchte. Inzwischen hat es sich so eingependelt, dass ich morgens zwischen 8.00 und 8.30 Uhr meinen Computer einschalte und entweder mit einem bereits begonnenen Auftrag weiter mache oder einen neue Auftrag übernehme. Mittags mache ich eine Stunde Pause, um wirklich abzuschalten und danach wieder konzentriert weiterarbeiten zu können. Abends ist gegen 17 Uhr, manchmal aber auch erst 18 oder 19 Uhr Schluss. Es kann auch vorkommen, dass die Übersetzungsaufträge sehr dringend sind und ich am Wochenende arbeiten muss. Allerdings bemühe ich mich, möglichst gar nicht oder nur einen Tag am Wochenende zu arbeiten.

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

Selbstdisziplin, Selbstmotivation und ein leichter Hang zum Perfektionismus…

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, nicht nur ein Experte auf einem speziellen Gebiet zu sein, sondern sich ein umfassendes Allgemeinwissen anzueignen und sich an neue Situationen anpassen zu können. Dazu gehört ein möglichst vielfältiger Lebenslauf. Besonders Geisteswissenschaftler haben es in der heutigen Wirtschaftswelt schwer und sie müssen lernen, ihre Fähigkeiten „gewinnbringend“ einzusetzen. Mir haben das Praktikum bei der Außenhandelskammer in Guangzhou und meine Arbeit als Dolmetscherin für chinesische Geschäftsleute bei verschiedenen Messen in Leipzig neben dem Studium geholfen, die Welt der „Business People“ kennenzulernen und mich darin zu Recht zu finden.

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?

  • Sich für das richtige Studienfach entscheiden und das dann wirklich durchziehen.
  • Möglichst früh Kontakte knüpfen, die später einmal wichtig sein können.
  • Auch schon während der Studienzeit in die „reale“ Welt, d. h. ins Berufsleben reinschnuppern. Dafür eignen sich Studentenjobs und Praktika sehr gut.

Persönliche Angaben

  • Name: Sabine Hilsberg
  • Geburtsjahr: 1979
  • Studiengang: Sinologie (1. Hauptfach), Anglistik (2. Hauptfach)
  • Jahr der Immatrikulation: 1998
  • Jahr der Exmatrikulation: 2006
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: selbständige Übersetzerin

(Interview Stand Juni 2013)