1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Ich kann mich sehr gut an die ersten Tage erinnern. Mich hat vor allem die Stadt fasziniert; die Offenheit der Menschen. Die Lage der Universität mitten in der Innenstadt fand ich toll.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Das Studium war nicht nur vom Lernen bestimmt, sondern auch von vielen Möglichkeiten in der Freizeit wie Sport, Musikgruppen, Theater und einer Vielzahl von Studentenklubs (der Fakultäten) mit vielen verschiedenen Veranstaltungen. So kannten wir viele Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen aus dem In- und Ausland.

3. Was würden Sie studieren, wenn Sie heute noch einmal studieren könnten? Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt?

Aus heutiger Sicht würde ich es wohl wieder so tun. Klar zweifelte ich manchmal über den Sinn. Das wirtschaftswissenschaftliche Studium ist mit dem heutigen BWL-Studium vergleichbar (lässt man mal den ideologischen Teil von damals weg). Es bietet später in der Berufs- und Firmenwahl sehr, sehr viele Möglichkeiten. Allerdings muss man wissen, dass die eigentliche Erfahrung im Umgang mit beruflichen Herausforderungen erst mit der praktischen Tätigkeit kommt.

4. Womit konnte man Sie immer vom Lernen abhalten?

Wenn mich jemand gefragt hat, ob ich mit in die Moritzbastei zu irgendeiner Veranstaltung komme ...

5. Welche Motivationen haben Ihre Studien- und Berufswahl bestimmt?

Es gab damals eher eingeschränkte Möglichkeiten für mich in der DDR. So bot mir aber 'WiWi' doch noch die besten diversen Entfaltungsmöglichkeiten. Aber die Entscheidung fiel tatsächlich wegen der Stadt.

6. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

  • Mein Berufsweg startete mit der Wende 1990, zuvor war ich noch drei Jahre wissenschaftliche Assistentin an der Technischen Hochschule Leipzig (heute HTWK Leipzig). Mit der Promotion wurde es aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dann nix, weil sich schlicht das Thema überholt hatte.
  • Ich begann meine berufliche Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung. Dort sammelte ich wesentliche Erfahrungen über Geschäftsmodelle aus der Industrie. Eine gute Schule. Allerdings war dies eine Sicht des Beraters.
  • Als mir dies langweilig wurde, bin ich auf die 'andere Seite' gewechselt und habe verschiedene Positionen in der IT-Industrie bekleidet. Hier lernte ich nicht nur fachliches Know-how sondern vor allem auch menschlich viele Fallstricke des Managements von Organisationen und in der Projektarbeit kennen. Aus heutiger Sicht hab ich in der Industrie meine meisten Erfahrungen gesammelt.

7. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Naja, dafür liegt wohl das Studium zu weit zurück. Aber ich habe zumindest nie vergessen wie man sich am schnellsten Wissen aneignet, wie und wann man wo nachschlägt oder nachsieht.

8. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Der Tag beginnt bereits nach dem Aufstehen mit einer inneren Vorschau und groben Strukturplanung des Tages. Ich führe gern Kalender nicht nur mit Terminen mit anderen Personen.
Vielmehr setze ich mir Termine in den Kalender für Aufgaben mit einem geschätzten Zeitlimit, das ich für die jeweilige Aufgabe aufbringen möchte. Am Arbeitstagesende mach ich eine kurze Rückschau. Freilich verschiebe ich auch Aufgaben nach vorn, wenn die Zeit nicht gereicht hat. Oft muss auch tagsüber die Priorisierung verändert werden. So ist nun mal die Welt.

9. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

  • eine eigene Struktur
  • offener, ehrlicher Umgang und
  • wertschätzende Kommunikation mit Partner:innen (Kolleg:innen, Kund:innen, Dienstleister:innen ...)

10. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps)?

Für die Auswahl der Firma sollte man ggf. seine eigenen Wertvorstellungen hinterfragen, z. B. übertrieben: Ist es in Ordnung für mich, für ein Rüstungsunternehmen zu arbeiten? Oder: Sehe ich einen Sinn, in dem was die Firma produziert? Bei der Bewerbung sollte man immer klar in der Aussage bleiben, authentisch sein, im Schriftverkehr als auch in der mündlichen Bewerbung. In einem Bewerbungsgespräch, von denen ich sehr viele mit Bewerber:innen geführt habe, fällt ganz schnell auf, wenn jemand nicht das ist, was er vorgibt zu sein. Darüber hinaus muss jedem klar sein, dass ein Mitarbeiter kein Bittsteller, sondern ein Mensch ist, der sich mit seiner Arbeitsleistung in ein Unternehmen einbringen möchte und dafür eine sowohl gesellschaftliche als auch eine entgeltliche Vergütung erhält. Also auch eine Probezeit ist eine Zeit für beide Seiten, in der man herausfindet, ob man zueinander passt.

11. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger:innen mit auf den Weg geben?

Ich denke, man sollte sich immer bewusst machen, was man gern erreichen möchte und an welcher Art von Tätigkeit man ehrlich Freude hat. Wenn man etwas mit Leidenschaft und Feuer ausübt, gelingt jeder Erfolg auf mittlere Frist. Erfolg heißt für mich vor allem innere Zufriedenheit.

Persönliche Angaben

  • Name: Anke Tartler
  • Jahr der Immatrikulation: 1983
  • Jahr der Exmatrikulation: 1987
  • Studiengang: Wirtschaftswissenschaften (Arbeitsökonomie)
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Projekt Leader Corporate Projects (Finance)

(Interview Stand Oktober 2022)