Der an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Leipzig entwickelten Krebsfeldtheorie liegt die Beobachtung zugrunde, dass sich Krebszellen bevorzugt in Geweben ausbreiten, die nah mit dem Ursprungsgewebe des Tumors verwandt sind. Eine genaue Kenntnis der Embryonalentwicklung dient dazu, den Verwandheitsgrad der verschiedenen Gewebe zueinander zu kartieren und somit Bereiche zu definieren, in denen sich eine Krebserkrankung vornehmlich ausbreitet.
Die Krebsfeldchirurgie setzt dieses Wissen praktisch um, indem alle Risikogewebe vorsorglich mitentfernt werden, angrenzende Gewebe mit geringem Risiko geschont werden können. Diese sogenannte ontogenetische Anatomie dient als eine Art Landkarte für das Krebswachstum, die im Operationssaal genutzt werden kann. Junior-Professor Dr. Wolf hat in den vergangenen Jahren mit mehreren Forschungspublikationen auf diesem Gebiet einen wichtigen Beitrag geleistet.
„Mein nächstes Ziel ist es, besser zu verstehen, warum sich Tumorzellen bevorzugt in den angrenzenden Geweben ausbreiten. Außerdem möchte ich herausfinden, warum einige Tumorzellen die Gewebegrenzen sehr rasch überwinden können, was unweigerlich mit einer schlechteren Heilungschance verbunden ist. Wir wissen, dass das Verhalten einer Krebserkrankung mitnichten allein auf die Eigenschaften der Krebszellen zurückzuführen ist. Es bestehen enge Interaktionen zwischen Krebszellen und ihrer unmittelbaren Umgebung. Das beinhaltet unter anderem Immun-, Bindegewebs- und Fettzellen, Bakterien, sowie Lymph- und Blutgefäße. Vor allem sehr aggressive Tumore haben die Fähigkeit, diese Umgebung bereits im frühen Erkrankungsstadium in ihrem eigenen Interesse umzuprogrammieren. In einer aktuellen Publikation konnten wir zeigen, dass Tumore, die ihr umgebendes Bindegewebe effektiv umbauen, sehr viel häufiger zu Krankheitsrückfällen und Tod führen. Möglicherweise können sich diese Tumore auch Bindegewebs-Brücken bauen, welche ihnen helfen, in benachbarte Kompartimente vorzudringen“, erklärt Wolf.
Helga-Reifert-Stiftung
Die Helga-Reifert-Stiftung zeichnet junge Wissenschaftler:innen für experimentelle Krebsforschung aus. Das Anliegen der 2023 verstorbenen Stifterin und gebürtigen Leipzigerin Helga Reifert war es, die Krebsforschung zu unterstützen, indem innovative Ansätze gefördert werden, deren Ergebnisse zur klinischen Anwendung gebracht werden können. Helga Reifert lebte viele Jahrzehnte in Regensburg. Der Forschungspreis wird nach ihrem Tod weiterhin alternierend an die Universitäten Leipzig und Regensburg vergeben. „Diese Auszeichnung ist für das gesamte Forschungsteam der Frauenklinik einschließlich aller Doktorandinnen. Das Preisgeld wird entscheidend helfen, unsere Forschungsvorhaben voranzubringen“, freut sich Preisträger Junior-Professor Dr. med. Benjamin Wolf .
Benjamin Wolf hat sein Medizinstudium 2005 in Leipzig aufgenommen, begann 2013 als Assistenzarzt in Weiterbildung an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Leipzig und ist seit 2020 dort als Facharzt tätig. Im Juli 2023 wurde er zum Junior-Professor für Translationale Gynäko-Onkologie an der Universität Leipzig berufen. Derzeit absolviert er, unterstützt durch ein Walter-Benjamin-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), einen zweijährigen Forschungsaufenthalt am Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School in Boston, USA.