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Dr. des. Lea Horvat eröffnet mit ihrem Vortrag zur Kulturgeschichte des Kaffees die diesjährige Ringvorlesung. Im Kurzinterview verrät unsere Referentin, was Sie erwartet.

Ihr Vortragsthema macht uns sehr neugierig. Was macht das beliebteste Getränk der Deutschen aus kulturwissenschaftlicher Perspektive so interessant?

Nahezu jedes europäische Land stolziert mit einer eigenen Kaffeetradition und Liebe für Kaffee. Und das, obwohl der Kaffee gar nicht in Europa angebaut wird (lediglich Gran Canaria bildet eine Ausnahme). Genau hier entsteht ein Spannungsfeld: Wir haben etwas, was sich scheinbar nicht dafür eignet, im nationalen Schlüssel interpretiert zu werden. Nichtdestotrotz wurden unterschiedliche Zubereitungsarten, Orte und Worte entwickelt, die den Kaffee in lokale Kontexte verankern. Kaffee bringt uns zu vielen Fragen: Zum einen geht es um den Rohstoff und das Getränk – wo kommt er her, wie wurde er angebaut und angeschafft? Wie ist Kaffeehandel zu einem weltumspannenden Geschäft geworden und wer profitierte davon? Welche Rezepturen haben sich entwickelt und warum? Zum anderen wurde um den Kaffee herum ein sozialer Raum gestrickt – das Café. In diesem Zusammenhang stellen sich die Fragen nach sozialer Teilhabe, Sichtbarkeit, Arbeit und Freizeit.

Wieso ist es wichtig, über die Kulturgeschichte des Kaffees auch kritisch zu diskutieren?

Kaffee ist ein dankbares Thema, weil es sofort den Raum mit Gesprächen und Diskussionen füllt; jede Person hat eine Meinung dazu, kann was dazu sagen. Zugleich ist man schnell und unvermeidlich bei größeren Fragen: Koloniale Ausbeutung und Wissensproduktion, Nachhaltigkeit, Othering, Formen der Gemeinschaft und sozialer Ausgrenzung.
In meinem Projekt beschäftige ich mich mit Kaffee und Gender an der Semiperipherie der Habsburgermonarchie – jenseits von Wien und Budapest, jedoch in der unmittelbaren Nähe zur norditalienischen (Espresso) und osmanischen (türkischer Kaffee) Kaffeetraditionen und -innovationen. Dabei interessieren mich Machtdynamiken und die (un-)gerechte Ressourcenverteilung, koloniales Wissen an der Semiperipherie, räumliche Formen der Gemeinschaft, Selbstbestimmung und sozialer Ausgrenzung. Das Forschungsfeld Kaffee ist wie ein lächelndes Trojanisches Pferd, das diese Fragestellungen erleichtert und anschaulich macht.

Zu guter Letzt noch eine kleine private Nachfrage: Wie mögen Sie Ihren Kaffee?

Auch wenn ich es vor zehn Jahren furchtbar fand: Zurzeit trinke ich am liebsten Cappuccino mit pflanzlicher Milch. Heutzutage redet man oft von pflanzlicher Milch als eine Modeerscheinung. Dabei waren pflanzliche Alternativen schon im Mittelalter bekannt. Meine persönlichen Präferenzen erinnern mich daran, wie sich die Gewohnheiten ändern können – letztendlich ist der Geschmack nie eine reine Privatsache.

Die Ringvorlesung "Essen und Genuss" startet am 14. Februar 2023. Anmelden können Sie sich hier.