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„Quo vadis KuBiLand?“ Unter dieser Überschrift fand die dritte digitale Vernetzungstagung der BMBF -Förderrichtlinie „Kulturelle Bildung in ländlichen Räumen“ statt. Ausgerichtet wurde die Tagung vom 7 September bis 9. September 2022 vom Metavorhaben (MetaKLuB) durch die Projektleitung Professorin Nina Kolleck und die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Dr. Luise Fischer, Lea Fobel und Esther Benning. Dr. Wiebke Arnholz und Dr. Éva Feig vom Projektträger DLR sowie Dr. Markus Braig vom BMBF begleiteten die Veranstaltung.

Ein Überblick in Kürze

Input, Austausch, Ausblick

Die Vernetzungstagung bot Raum für einen intensiven Austausch über die bisher gewonnenen Erkenntnisse der Forschungsprojekte der Förderrichtlinie. Gemeinsamkeiten und Unterschiede wurden erörtert und die Auswirkungen der Erkenntnisse auf Wissenschaft, Praxis und Politik diskutiert.

Die Konferenz begann am Mittwoch mit Workshops mit Weiterbildungsangeboten für den Mittelbau der Förderrichtlinie. Am Donnerstag wurden Ergebnisse aus dem Metavorhaben vorgestellt. Anschließend diskutierten die Projekte in Diskussionsräumen ihren Forschungsprozess und vorläufige Ergebnisse miteinander. Zwei Keynotes aus Wissenschaft und Praxis gaben zusätzliche Impulse für den weiteren Forschungsprozess. Daran schloss sich ein Gespräch über den zweiten Sammelband der Förderrichtlinie an. Schließlich ging es um die Aufbereitung der gewonnen Projektergebnisse für die interessierte Öffentlichkeit aus Wissenschaft und kultureller Bildungspraxis. Am letzten Vernetzungstag beantworteten die Teilnehmenden im World Café Fragen zur Rolle der Forschenden im Forschungsprozess, zu Erfolgsfaktoren für die Kulturarbeit in ländlichen Räumen und zur Frage, wie die Forschung zur kulturellen Bildung im ländlichen Räumen in Zukunft aussehen soll. Ein Expertinnengespräch zur praktischen Bildungsarbeit bildete den letzten Tagesordnungspunkt der Konferenz.

Für mehr Einblick in die Inhalte der Tagung lesen Sie weiter. Die Videos der Keynotes und Expertinnendiskussion finden Sie unten.

 

… Zu den Inhalten

Input für den Mittelbau

Den Auftakt der Tagung machte der Mittelbautag mit einer vielfältigen Auswahl an Workshops, die sich an Promovierende richteten. In der „Schreibwerkstatt“ gab Dr. Anette Rein den Tipp, beim Schreiben ästhetisch ansprechend vorzugehen und zwischendurch auch mal händisch zu schreiben, um den Schreibprozess positiv zu beeinflussen. Ein schönes Notizbuch und ein Stift können dabei helfen. Dr. Matthias Schwartzkopf wies im „Promotionsworkshop“ auf die sogenannte SMART-Methode hin. Das steht für „Specific, Measurable, Achievable, Relevant, Timely“ und bietet ein Gerüst, nach welchem man seine Projekte sinnvoll strukturieren kann. Im Workshop „How to: Storytelling in Vorträgen“ von Dr. Luise Fischer ging es darum, wie Vorträge von Forscher:innen spannend und mitunter auch persönlich gestaltet werden können. Technisches Wissen wurde im Workshop „How to: Projektantrag“ von Dr. Christiane Füldner und Birgit Hünniger des Forschungsservice der Universität Leipzig vermittelt. Im Workshop „Meet the Editors“ gab es die Möglichkeit, Fragen zur Promotion und Publikation an die Verlage Barbara Budrich und transcript zu richten.

Intensiver Austausch und Vernetzung

Professorin Nina Kolleck, Projektleiterin des Metavorhabens, und Dr. Braig vom BMBF eröffneten den zweiten Tag der Vernetzungskonferenz mit Begrüßungsworten. Im Anschluss daran stellte Nina Kolleck wesentliche Inhalte und Vorgehensweisen des in Kürze erscheinenden systematischen Reviews vor. Dr. Luise Fischer ging dann auf den Stand des englischsprachigen Reviews und den Diskurs in der englischsprachigen Fachwelt zur kulturellen Bildung in ländlichen Räumen ein. Nach einem Einblick in die quantitativen Analysen von Lea Fobel wurden anschließend Diskussionsräume für den Austausch und die Vernetzung zwischen den Projekten eröffnet. In Projektpräsentationen stellten sie ihre Forschungsstände vor und diskutierten aufkommende Fragen gemeinsam.

Einblick in die vielfältigen Debatten

Im Diskussionsraum mit dem Titel „Verständnis und zur Veränderung von Kultur“ diskutierten die Forschenden das Verständnis von Kultur als ein Spannungsfeld. Unter dem Motto "Auf die Brille, fertig, Kunst!" fragte dabei etwa das Projekt Ma-ma-Märchenprinz, ob ästhetische Erfahrungen durch digitale Museumsbesuche mit Virtual Reality-Brillen dem analogen Museumserlebnis das Wasser reichen können. Andere Projektvorstellungen führten zu Überlegungen darüber, wer genau eigentlich ins Theater geht oder welche Formen der Zugehörigkeit es im ländlichen Raum gibt und wie sie sich verändern.

Im Diskussionsraum „Individuelle/familiäre Faktoren und strukturelle Rahmenbedingungen“ ging es um den Zugang von Kindern und Jugendlichen zur kulturellen Bildung im ländlichen Räumen. Das Projekt ElKuBi wies darauf hin, dass Eltern dabei eine Schlüsselrolle spielen, da sie Mobilität ermöglichen. Die unterschiedlichen Ansichten über die Funktionen der kulturellen Bildung wurden ebenfalls diskutiert. So sehen Kommunalpolitiker:innen die kulturelle Bildung als Mittel zur Steigerung der Attraktivität der Region, während pädagogische Akteur:innen eher ihre Bedeutung für die jungen Menschen vor Ort betonen.

Im Projektdiskussionsraum „Identität und Beziehung“ wurde die Rolle von Forschenden im Forschungsprojekt thematisiert. Forschende sind in Forschungssituationen nicht unsichtbar, durch ihre Präsenz in sozialen Situationen und die Fragen, die Sie stellen, werden sie automatisch zum Teil dieser Situationen. Dies erwirkt Fragen einer notwendigen Reflexivität – ein Thema, das in der anschließenden Keynote aufgenommen wurde. In der Gruppe Netzwerke und Kooperationen“ wurden die Herausforderungen und Bedingungen für den Erfolg kultureller Bildung im ländlichen Räumen diskutiert. Insbesondere der Mangel an finanziellen und personellen Ressourcen wie auch Herausforderungen der Mobilität wurden als Probleme benannt.

 

Impulse aus Wissenschaft und Praxis

Um neben Diskussion und gegenseitiger Anregungen weitere Impulse für die Forschung zu bieten, folgten den Gruppendiskussionen Keynotes aus der Forschung und Praxis der kulturellen Bildung in ländlichen Räumen.

Professorin Gabrielle Ivinson von der Manchester Metropolitan University zeigte, wie ein posthumanes/neues Materialismus-Paradigma unsere Wahrnehmung von Forschung verändern und eine andere Herangehensweise und Art der Wissensproduktion ermöglichen kann. Dabei kann beispielsweise  ein proaktiver Forschungsansatz verfolgt werden, bei dem die Forschenden auch ästhetische Zugänge und Anreize bewusst in den Forschungsprozess einbinden. Als Professorin für Bildung und Gemeinschaft (Education and Community) geht Gabrielle Ivinson davon aus, dass Erfahrungen, die an Orten gemacht werden, über Generationen hinweg weitergegeben werden und auch in der Region verankert bleiben. Künstlerische Ausdrucksformen ermöglichen dabei die Auseinandersetzung mit diesen Erfahrungen und Orten und bieten so einen Zugang für die Forschung. Ihre Keynote können Sie sich hier ansehen.

Dr. Kenneth Anders, promovierter Kulturhistoriker, Mitbegründer des Büros für Landschaftskommunikation und Programmleiter des Oderbruch Museums Altranft, gab  Einblicke in seine Arbeit als Praktiker, Netzwerker und Impulsgeber. Unter der Überschrift „Landschaftskommunikation als gemeinsame Wissensproduktion und Raumgestaltung“ sprach er unter anderem über Erfolgsfaktoren für Kulturarbeit in ländlichen Räumen. Grundlegend sind für ihn der Aufbau eines langfristigen Vertrauensverhältnisses zu den Menschen vor Ort und die Möglichkeit zur aktiven Beteiligung. Seinen Beitrag können Sie hier ansehen.

 

Zeit für Reflexion und einen Ausblick

In Kleingruppen beantworteten die Teilnehmenden am Freitag schließlich verschiedene Fragen zur persönlichen Wahrnehmung und Zukunft der kulturellen Bildung in ländlichen Räumen. Sie gingen  unter anderem auf die Frage ein, was kulturelle Bildung in ländlichen Räumen braucht. Dabei wurden besonders Engagement, finanzielle Mittel und Kontinuität als Faktoren betont, die nicht ausschließlich in ländlichen Räumen bedeutend sind, sondern auch darüber hinaus wichtige Bedingungen für kulturelle Bildung darstellen. Anders ist es bei dem bereits angesprochenen Faktor Mobilität. Viele Orte der kulturellen Bildung sind nur mit dem Auto erreichbar; das stellt insbesondere für Kinder und Jugendliche eine große Hürde dar. Eine gute Internetverbindung könnte die Anbindung an digitale Angebote verbessern, ist aber besonders in ländlichen Räumen oft nicht vorhanden.

Eine weitere Frage war die, wie sich die Forschenden die Zukunft der Forschung zu kultureller Bildung in ländlichen/strukturschwachen Räumen vorstellen. Für die Zukunft wurde eine offenere Gestaltungsmöglichkeit während der Forschung gewünscht, sodass flexibel auf neu aufkommende Gegebenheiten eingegangen werden kann. Nachhaltige Prozesse, die über das Forschungsprojekt hinaus Bestand haben, sind außerdem wichtig für das Vertrauensverhältnis und die Kooperationsbereitschaft der Menschen vor Ort. Mehr Bottom-up-Prozesse und die Anbindung an bereits bestehende Strukturen sowie die Vernetzung dieser wurden als Wünsche an zukünftige Forschungsvorhaben formuliert. Darüber hinaus besteht ein Bedarf an einem Monitoring der kulturellen Bildungsangebote und des Nutzendenverhaltens.

 

Input aus der Bildungspraxis

Der letzte Tagesordnungspunkt bildete eine spannende Expertinnendiskussion, bei welcher die Perspektive der Bildungspraxis beleuchtet wurde. Moderiert von Dr. Luise Fischer gaben Karoline Weber von der Drosos Stiftung und Annika Brandt von der Bundeszentrale für politische Bildung spannende Einblicke in die praktische Bildungsarbeit. So betonte Annika Brandt, dass kulturelle Bildung auch ein Weg zu politischer Bildung sein kann und dabei ein wichtiges Kommunikationsmittel darstellt. Beide Expertinnen reflektierten außerdem über die Bedeutung der Wissenschaft für die Praxis. So ermöglicht sie evidenzbasiertes und zielgerichtetes Arbeiten. Die Expertinnendiskussion können Sie hier anschauen.

Schließlich wurden die Teilnehmenden mit einer Menge Input für die Projektabschlussphase ins Wochenende entlassen. Im nächsten Jahr wird es ein  eine Transfertagung in Leipzig geben, die den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis in den Fokus nimmt. Ziel wird es somit sein, die Forschungsergebnisse der Förderrichtlinie zu präsentieren und auch in verschiedenen kreativen Formaten Austausch mit interessierten Praktiker:innen, Wissenschaftler:innen und der Öffentlichkeit zu ermöglichen.