1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Ich weiß noch, dass ich es sehr verwirrend fand, dass in Leipzig viele Fakultäten so weit von einander entfernt waren/sind. Da ich Religion und Deutsch auf Lehramt studiert habe, musste ich nicht nur drei Vorlesungsverzeichnisse studieren, sondern stets schauen, ob ich den Weg von A nach B und/oder C schaffe. Davon mal abgesehen fand ich es unglaublich spannend, endlich auf eigenen Füßen zu stehen und mein Leben und meinem Alltag selbst bestimmen zu dürfen. Die tollsten Stunden hatten wir, und das muss ja auch gesagt werden, in unserer Wohngemeinschaft. Wir waren vier LehramtsanwärterInnen und das war wirklich eine große Hilfe für die ersten Tage und Wochen. 

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Aufregend, spannend, turbulent, selbstverwirklichend … das lag aber nicht nur an der Uni, sondern auch an den Menschen, die ich durch die Wohngemeinschaft, die Fachschaftsräte und den StuRa kennengelernt hatte. Es war die Zeit, in der viele gegen die Idee der Studiengebühren demonstriert haben und sogar nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht zogen, um unsere Meinung kundzutun. Zu meiner Verwunderung ist es tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal der Uni Leipzig, dass sich so viele Studierende engagieren. Zwischenzeitlich waren wir ab und zu zum Beispiel auch in Dresden – hier waren wesentlich weniger Studenten bei Aktionen und Demos zu sehen.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Ja, sehr häufig während des Studiums. Ich empfand es häufig als zu praxisfern, was wir lernen mussten. Bis heute (fünf Jahre nach dem Studium) weiß ich nicht, warum ich mit vier Semester Griechisch geärgert wurde – und das auch noch mit einer Prüfung. Rückblickend muss ich allerdings auch zugeben, dass wir durch viele fachspezifische Themen das wissenschaftliche Denken erlernt haben. Wie ich damit umgegangen bin? Viele meiner Freunde und auch viele Familienmitglieder arbeiten nicht mehr in ihrem erlernten Beruf. Ich empfand das als tröstlich, weil die Entscheidung wirklich Lehrerin zu werden, keine Entscheidung fürs Leben sein muss – Erst mal durchbeißen …  

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

Vorbilder, Praktika und viele Menschen mit ähnlichen Interessen – und das nicht nur auf meinen Berufswunsch Lehrerin bezogen. Mein Pfarrer zum Beispiel, der mich ermutigt hat, diesen Studiengang zu wählen; mein Deutschlehrer in der Oberstufe, der mir immer noch ein großes Vorbild ist und ein Praktikum im Bereich Maschinenbau und Informatik, was mir gezeigt hat, dass dieser Beruf nichts für mich ist … Auch Negativbeispiele gehören zur Jobfindung dazu.  Da bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mir diese Wege aufgezeigt haben.

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Leiterin der Jungen Gemeinde, Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in unserer Kirchgemeinde, Autorin für den Gerhardt (Zeitschrift des Fachschaftsrates Germanistik an der Universität Leipzig), Autorin für das Jugendonline-Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung www.du-machst.de, Nachhilfelehrerin im Fach Deutsch (während des Studiums), Ausbildung zur Schulseelsorgerin, Wahl zur Obfrau für die Deutsch-Fachschaft.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Vor allem die fachdidaktischen Seminare haben wirklich viel mit der Praxis zu tun. Diese Inhalte nutze ich auch heute noch. Andere Seminarinhalte wie zum Beispiel „Grundwissen Altes Testament“ habe ich stets griffbereit, nutze sie aber sehr selten, weil die Materialien von den Schulbuchverlagen wirklich sehr gut didaktisch aufgearbeitet sind.

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

6 Uhr aufstehen, 7.30 Uhr zur Schule fahren, 8 – 13.30 Uhr Schule, 14.30 – 18/19 Uhr entweder die Oberstufe unterrichten, Klassenarbeiten/Klausuren kontrollieren, Unterricht vorbereiten, Fachkonferenzen/Dienstbesprechungen planen oder Anfragen von Kollegen bearbeiten, Gottesdienste und Andachten sowie Projekte mit Fachkollegen und Schülern vorbereiten. 

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

  • Organisieren können
  • mit Menschen arbeiten wollen/können
  • Kommunikation 

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

  • Durch viel Erfahrung mit Menschen – nicht nur mit Kindern und Jugendlichen.
  • Durch viele Praktika an Schulen vor/während des Studiums und durch die Arbeit in der Kirchgemeinde. 
  • Durch ein dickes Fell, welches man sich während des Referendariats wachsen lassen muss. ;)

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?

Wer den Studiengang Evangelische Religion auf Lehramt studiert, der wird …

  • ... überaus interessante, weltoffene, unvoreingenommene Menschen kennenlernen.
  • ... Inhalte kennenlernen, von denen er dachte, dass sie von der Kirche ganz anders kommuniziert werden.
  • ... sehen, dass Evangelische Theologie sehr kritisch ist und Diskussionen häufig die Seminare erhellen.

Darauf sollten sich die Studienanfänger freuen.

Persönliche Angaben

  • Name, Vorname: Schuster, Anke
  • Geburtsjahrgang: 1985
  • Studiengang: Lehramt Gymnasium, Deutsch und Religion
  • Jahr der Immatrikulation: 2004
  • Jahr der Exmatrikulation: 2010
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Niedersächsisches Kultusministerium/ Landesschulbehörde, Lehrerin für Deutsch, Religion und Werte und Normen, Fachobfrau für Deutsch, Zusatzausbildung: Schulseelsorgerin

(Interview Stand November 2016)