1. Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonders guter Erinnerung geblieben?

Das spannendste Geschehen trug sich während meiner Studienzeit im November 1984 im Messehaus am Rathaus zu, als Lutz Dammbeck, Hans Hendrik Grimmling, Günther Huniat und einige andere entschiedene Künstler den „1. Leipziger Herbstsalon“ ausrichteten, ein gewitzter, strategisch kluger Akt, denn sie zeigten ihre Kunst außerhalb der offiziellen Bahnen. Oder war doch die Lesung von Endler in der Galerie Eigen + Art wichtiger, bei Judy Lybke? Es gab ein Leben jenseits: Jenseits von Museen und Universität, und es gab viele gute Gespräche in unserem besetzten Haus in der Judith-Auer-Straße, mit Cornelia B., Thomas K., Philine B. und anderen. Ich verdanke ihnen viel. Der Rest der prägenden Momente rührte her von der Abendöffnung der Deutschen Bücherei, denn das war ein weiterer offener Ort, an dem die Bücher aller deutschen Verlage erreichbar waren: Das Lese-Paradies, an dem wir uns als Studenten stundenlang über Gott und die Welt austauschen konnten.

 

2. Welche Bedeutung hat die Universität Leipzig heute für Sie?

Das ist so eine Sache, wenn man seit drei Jahrzehnten voneinander getrennt ist: Ich weiß, auch dort sind viele kluge Köpfe, aber nach meinen Stationen in Berlin, Dresden und München habe ich den Kontakt etwas verloren und sind neue, wiederum anregende universitäre Kontakte an all diesen Orten entstanden. Doch wer weiß, was noch kommt? Ich habe jedenfalls wahrgenommen, mit welch entschiedener Geste durch das Paulinum eine beherzte Verjüngung – und gottlob nicht Restauration – betrieben wurde.

 

3. Welches ist Ihr Lieblingskunstwerk?

Momentan Goethes Faust: „Nichts bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit, in der Türkei die Völker aufeinander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten, dann kehrt man abends froh nach Haus, und segnet Fried´ und Friedenszeiten.“ Unglaublich, was der Alte von Weimar, als er noch jung war und in Leipzig studiert hatte, über die vor-globalisierte Welt wusste und wie das bis heute an Gültigkeit nicht verliert, wie er die Mentalität des Wegsehens geißelte und die patriotische Gemütlichkeit, den politischen Regionalismus und die Ignoranz gegenüber der Ferne. Warum ist Goethe eigentlich nicht in Sachsen geblieben?

 

Dr. Bernhard Maaz (54) hat von 1981 bis 1986 Kunstwissenschaften mit Nebenfach Archäologie an der Universität Leipzig und in Berlin studiert.  Nach dem Studium war er ab 1986 bei den Staatlichen Museen Berlin tätig und wurde 2003 Leiter der Alten Nationalgalerie. Von 2010 bis 2015 leitete er die Gemäldegalerie Alte Meister und das Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Seit 2015 ist Bernhard Maaz Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, zu denen die Münchner Pinakotheken und zahlreiche weitere Museen und Sammlungen gehören.