1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?
Meine erste Lehrveranstaltung im WS 2002 war das Einführungsblockseminar von Professor Schmitt. Wir trafen uns alle am IALT, gingen dann aber in die Jahnallee, wohin die Veranstaltung ausgelagert worden war. Daher mutete der Start etwas chaotisch an. Aber bereits auf dem Weg zum Hörsaal entwickelten sich die ersten Gespräche – mit einigen Kommilitonen von diesem „ersten Weg“ bin ich heute noch sehr gut befreundet.
2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?
Die ersten Semester waren eher theoretisch, aber spätestens nach dem Vordiplom wurde es praktisch und abwechslungsreich – neben den eigentlichen Kernfächern studierte ich unter anderem englische Literatur, Jura, BWL, Bauwesen und Psychologie. Spannend waren auch die ersten Stunden in der Dolmetschertrainingsanlage. Vor allem auf die Kurse zum Simultandolmetschen habe ich mich immer sehr gefreut.
3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?
An der Fachrichtung per se habe ich nie ernsthaft gezweifelt. Nur die Entscheidung, in Leeds ein Auslandssemester einzulegen, war vielleicht nicht die allerbeste, weil ich dort keine für mich wirklich interessanten Kurse belegen konnte und die äußeren Umstände schwierig waren. Aber das anschließende Sommersemester in Frankreich hat das wieder wettgemacht und die Lust auf den Beruf zurückgebracht.
4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?
Als mein Großvater mir im Kindergarten mein erstes englisches Buch geschenkt hat und sah, wie schnell ich die Sprache aufnahm, meinte er, ich solle doch später am besten Dolmetscherin werden. Und weil ich mich in der Schule weiterhin gut in Sprachen schlug und Simultandolmetschen irgendwie faszinierend fand, habe ich das schlichtweg gemacht.
5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?
Neben meinem langjährigen Studentenjob als Kellnerin, bei dem ich gelernt habe, mit schwierigen Kunden umzugehen, war das sicher mein zweites Praktikum. Dort habe ich auch unter dem Semester mehrmals die Woche „echte“ Übersetzungsaufträge bei einem Leipziger Dolmetscher und Übersetzer erledigt. Ganz nebenbei habe ich vieles über die Selbstständigkeit gelernt, die sich im Anschluss daran quasi von selbst ergeben hat.
6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?
Bis vor kurzem habe ich ausschließlich in Vollzeit und selbstständig als Dolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet. Dafür konnte und kann ich sehr vieles aus dem Studium nutzen, unter anderem mein Fachwissen aus den Sachfächern. Seit einem halben Jahr arbeite ich jedoch auch für eine Leipziger Rechtsanwaltskanzlei als Marketing- und Kommunikationsmanagerin. Ein Interesse für Werbung und neue Medien hatte ich eigentlich schon immer. Als Selbstständige musste ich mich von Anfang an auch selbst vermarkten, da passten Neugier und Nutzen gut zusammen. Warum also nicht auf das aufbauen, was ich mir über die Jahre selbst angeeignet habe, und es auch für andere einsetzen?
7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?
Das kommt darauf an. Mein Hauptbüro ist bei mir zu Hause. Dort prüfe ich morgens als Erstes, ob Anfragen oder E-Mails zu beantworten sind. Danach setze ich mich entweder an einen Übersetzungsauftrag oder gehe zu einem Dolmetscheinsatz, je nachdem. Andere Tage verbringe ich vollständig in der Rechtsanwaltskanzlei, wo ich Konzepte erstelle, Texte schreibe, Social Media verwalte oder juristische Übersetzungen anfertige. Dort habe ich einen eigenen Arbeitsplatz, verwalte jedoch mein Dolmetsch- und Übersetzungsgeschäft auch per E-Mail auf dem Handy, wenn ich schnell reagieren muss.
8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?
Wissensdurst: Es gibt sicher wenige Berufe, bei denen man es mit so vielen Fachbereichen zu tun hat wie beim Dolmetschen und Übersetzen, darauf muss man Lust haben.
Schnelligkeit: Gerade das Übersetzungsgeschäft läuft oft „over night“ und beim Dolmetschen geht ohne ein schnelles Hirn sowieso nichts.
Flexibilität: zeitlich, vor allem wenn man selbstständig ist, und geistig, weil man nie weiß, welcher Situation man als nächstes ausgesetzt ist, was beim Dolmetschen schnell für Stress sorgen kann.
9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?
Das hängt davon ab, wohin man will. Die Branche ist vielschichtig. Allgemein halte ich Praxiserfahrung für unerlässlich – sei es über Praktika, Studentenprojekte oder Einsteigerjobs. Wer sich gleich selbstständig machen will, tut gut daran, sich am Anfang Hilfe von erfahreneren Kollegen zu holen, z. B. als Korrekturleser. Wer professionell auftreten will, sollte auch an der Werbung nicht sparen, aber da kommt vielleicht wieder meine andere Leidenschaft durch … Generell muss letztlich die Leistung stimmen, das spricht sich rum und dann ergibt sich vieles einfach.
10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?
Ich würde sie zuerst fragen, ob sie sich das wirklich gut überlegt haben. Es gibt Berufe, von denen man leichter leben kann. Wenn sie sich dann immer noch sicher sind, würde ich ihnen raten, sich bald ein Fachgebiet zu suchen, mit dem sie sich inhaltlich wohlfühlen – Spezialisierung ist aus vielen Gründen wichtig. Außerdem sollten sie sich mit Computern und anderen digitalen Hilfsmitteln anfreunden. Nicht zuletzt würde ich ihnen raten, alle Möglichkeiten des Studiums zu nutzen, um herauszufinden, was sie wirklich interessiert und glücklich macht.
Persönliche Angaben
- Pieloth, Franziska
- Geburtsjahrgang: 1982
- Studiengang: Diplom-Dolmetscher (Englisch, Französisch)
- Jahr der Immatrikulation: 2002
- Jahr der Exmatrikulation: 2009
- Heutiger Arbeitgeber/Position: Selbstständig als Dolmetscherin und Übersetzerin sowie als Marketing- und Kommunikationsmanagerin
Interview Stand Juni 2014