1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Den ersten Eindruck habe ich 2009 bei einem Besuch im Rahmen von „Studieren in Fernost“ gewonnen. Für mich als „Ossi“ war Leipzig nah genug an der Heimat und fern genug von meinen Eltern. Die Universitätsgebäude fand ich sehr eindrucksvoll und die Stadt wirkte auch sonst sehr attraktiv auf mich.

Bevor das Studium richtig begann, belegte ich einen Mathematikvorbereitungskurs. So bekam ich zum einen eine Idee davon, was von mir erwartet wurde, und zum anderen konnte ich so schon soziale Kontakte in der künftigen Umgebung knüpfen.

Das Studieren selbst war schon sehr anders als Schule. Meine Kommilitonen kamen aus aller Welt und ich musste mich erst einmal an all das Neue gewöhnen.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Es war sehr anstrengend, aber gewinnbringend. Mein damaliges Bachelorstudium

in Physik (IPSP) an der Universität Leipzig hat den Grundstein für mein physikalisches Verständnis und meine spätere wissenschaftliche sowie persönliche Entwicklung gelegt.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Ja, am Ende des ersten Semesters hat mich die Angst gepackt, dass ich womöglich das Analysismodul nicht bestehen würde. Hätte ich das Handtuch geworfen und mich nicht so stark auf die Prüfung vorbereitet, wie ich es damals getan habe, wäre dies wohl sogar wahr geworden. So hatte ich aber das Modul unerwartet mit der Bestnote abgeschlossen.

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

Bei der Studienwahl bin ich mir nicht mehr ganz sicher, sicherlich spielte naturwissenschaftliches Interesse und auch eine Vorliebe für Mathematik eine Rolle. Ich wollte etwas sinnvolles machen, etwas bewirken.

Nach dem wenig geradlinigen Studium der Physik und später der Mathematik hatte ich schon mehr Orientierung. Doch wurde mir der Weg in mein Fachgebiet verbaut, sodass ich nach Monaten der Arbeitslosigkeit und Promotionsstellensuche als Quereinsteiger an einer freien Schule in Heimatnähe anfing. Nach vielen Monaten des Kampfes mit meiner 50 bis 60 Stunden-Woche und erneuter Arbeitslosigkeit habe ich es über Kontakte geschafft meinen Weg als Wissenschaftler weiter zu gehen.

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Dies ist großteils mein Studium: Nach dem Bachelor in Leipzig habe ich mich in theoretischer Physik in Utrecht (NL) eingeschrieben. Zwei Monate Rechenbootcamp machten mir jedoch klar, dass ich da raus musste. Ich wechselte zum Masterstudium in Mathematik und ging 2014 nach Berlin um dies dort weiter zu studieren. Nur wurde ich mit meinem Physikbachelor abgelehnt und kämpfte ein halbes Jahr wörtlich um meine Existenz. Dann ließ mich die TU doch zu und ich schloss 2017 sehr gut mit einer Arbeit in mathematischer allgemeiner Relativitätstheorie ab. Trotz der oben beschriebenen Startschwierigkeiten landete ich schließlich in Lubbock (Texas, USA) um mein Promotionsstudium in Physik zu beginnen.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Mein Studium in Leipzig hat letztenendes den Grundstein für meine derzeitige Tätigkeit gelegt. Nach meinem Bachelorstudium hatte ich bereits einen Zugang zu den Grundlagen der Quantentheorie, auch wenn offensichtlich einige großen Brocken zwischen der Erlangung des Wissens und der beruflichen Nutzung dessen überwunden werden mussten. Derzeit versuche ich mir im Rahmen des Promotionsstudiums einen Namen als mathematischer Physiker zu machen. Natürlich habe ich im Studium zudem vieles gelernt, was ich selbst im Fach nicht benötige, aber ein Ziel des Studiums ist es auch mögliche spätere Wege aufzuzeigen und zu eröffnen.

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Aufgrund der Eigenarten des US-Promotionssystems besuche ich derzeit noch einen Kurs, für den ich einige Stunden pro Woche aufwende. Sonst sitze ich großteils im Büro und arbeite an meiner Forschung: Also die wissenschaftliche Literatur durchsuchen, teilweise mit Stift und Papier bewaffnet durchlesen, eigene Artikel schreiben und dabei versuchen relevante mathematische Sätze zu beweisen/Rechnungen auszuführen. Ab und zu treffe ich mich auch mit meinem Betreuer und anderen Wissenschaftlern oder gehe zu Colloquia.

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

Fähigkeit sich Fachwissen zügig anzueignen und anzuwenden, (selbst)kritisches Denken und Analysieren von Aussagen, mit einer guten Dose Zielstrebigkeit versetztes Durchhaltevermögen.

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

Man tut sich und der Gesellschaft einen Gefallen, wenn man einen konkreten Grund hat diesen Weg einzuschlagen – ein einfaches Leben hat man hier besonders anfangs nicht. Vermutlich ist die Wissenschaft einer der Bereiche in der man viele Lektionen auf den harten Weg lernt, zumindest wenn man wie ich von Außen kommt. Wenn man glaubt einen Beitrag leisten zu können, sollte man möglichst früh sein möglichst internationales Forschungsnetz aufbauen. Forschungserfahrung im Ausland wird häufig erwartet, was meist soziale Entwurzelung bedeutet und die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse erschwert. Langfristig ist die Arbeitsplatzgarantie der Name, den man sich mit seiner Forschung erarbeitet hat.

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfängerinnen und -anfängern mit auf den Weg geben?

Kämpfe. Nicht direkt gegen andere, nicht immer alleine, aber für die eigenen und gemeinsamen Ziele. Nur so kann man über sich selbst hinaus wachsen und ein selbstbestimmtes Leben führen.

Was das Überleben in der Uni anbelangt: Sei respektvoll und arbeite hart, aber lass dich nicht blenden.

Persönliche Angaben

  • Name, Vorname: Reddiger, Maik
  • Geburtsjahrgang:1989
  • Studiengang: IPSP
  • Jahr der Immatrikulation: 2009
  • Jahr der Exmatrikulation: 2013
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Texas Tech University, Department of Chemistry and Biochemistry/Research Assistant (Doktorand in Physik)

Interview Stand: November 2019