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Beim Jahresempfang des LeipzigLab am 15. Januar gab Prorektor Prof. Dr. Jens-Karl Eilers die Entscheidung des Rektorats bekannt, Prof. Dr. Katja Liebal zur ersten Direktorin des LeipzigLab zu berufen. Er betonte die Bedeutung des LeipzigLab für die Entwicklung der interdisziplinären Forschung an der Universität Leipzig. Im Interview spricht Liebal über die Einzigartigkeit des LeipzigLab und die Chancen, die dieses interdisziplinäre Forschungsnetzwerk den Wissenschaftler:innen eröffnet.

Prof. Dr. Katja Liebal ist Verhaltensforscherin und leitete von 2020 bis 2023 die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Kinder und Natur im LeipzigLab. Seit Januar 2024 ist sie erste Direktorin des LeipzigLab.

 

Kürzlich wurden Sie zur ersten Direktorin des LeipzigLab berufen. Was bedeutet diese Position für Sie und für das LeipzigLab? 

Für mich persönlich bedeutet die Übernahme dieser Rolle, dass ich auch über das Ende der AG „Kinder und Natur” hinaus mit dem LeipzigLab verbunden bleiben und zusammenarbeiten kann und darüber freue ich mich sehr. Für das LeipzigLab bedeutet dies gemeinsam mit dem Rektorat an einer Verstetigungsperspektive des LeipzigLabs arbeiten zu können, damit es zu einem festen Bestandteil in der Forschungslandschaft der Universität Leipzig wird und sein volles Potenzial entfalten kann.

Was waren die Ziele und die Vision, die 2019 zur Gründung des LeipzigLab geführt haben?

Ein wesentliches Ziel war es, einen geschützten und gleichzeitig für Mitglieder der Universität Leipzig offenen Raum zum interdisziplinären Austausch, zum Dialog der Disziplinen auf Augenhöhe und hier besonders für die Begegnung von Geistes- und Naturwissenschaften zu schaffen. Das LeipzigLab stellt diesen Raum und auch die Zeit für die Forschenden im Lab zur Verfügung, die sich an mindestem einem Tag pro Woche, für die Dauer von drei Jahren, intensiv mit den Themen der eigenen AG sowie denen der anderen Gruppen auseinandersetzen. Durch diese besondere Art der Zusammenarbeit sollen erste Ideen zu Forschungsfragen und Projektanträgen weiterentwickelt und neue Forschungsfelder in den Schnittmengen der verschiedenen Disziplinen identifiziert werden.

Was ist so besonders an dem Konzept der Interdiszplinarität?

Im LeipzigLab begegnen sich Menschen, die sich im normalen Uni-Alltag, also während der Lehre, Kommissionsarbeit, klassischen Drittmittelprojekten, nicht über den Weg gelaufen wären. Hier arbeiten Philosophen mit Rechtswissenschaftlern, Historikerinnen gehen auf Exkursion mit Geographen, Psychologinnen entwickeln Verbundprojekte mit Biodiversitätsforschern, Ökonomen, Pädagogen.

 

Hier findet das Kennenlernen und der Austausch zwischen den Disziplinen statt, hier wird freundschaftlich gestritten und versucht, Kompromisse zu finden.

Welche Fachdisziplinen und Forschungsbereiche sind im Lab vertreten und wie interagieren diese in ihrer Arbeit?

Zur Zeit forschen Wissenschaftler:innen aus der Geographie, Geschichtswissenschaften, Soziologie, Anthropologie, Verhaltensbiologie, Entwicklungspsychologie und Archäologie im LeipzigLab in den Arbeitsgruppen Global Health, Pflanzen und Politik und Historische Anthroposphären.

Ein zentrales Arbeitsformat für die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist der monatlich stattfindende brunch talk, welches einen zentralen Knotenpunkt darstellt und an dem alle AGs teilnehmen. Die jeweiligen Kernthemen und Inhalte dieses Formats werden jedes Semester neu festgelegt. Wir diskutieren Literatur aus den jeweiligen Fachgebieten zu Themen wie „Körper“, „Normalität und Normativität“ oder „Mensch-Natur-Beziehungen“, oder die AGs geben einen Überblick über ihren jeweiligen Forschungsstand oder stellen geplante Drittmittelanträge vor. Hier findet das Kennenlernen und der Austausch zwischen den Disziplinen statt, hier wird freundschaftlich gestritten und versucht, Kompromisse zu finden. Vor allem aber geht es darum, die Arbeits-, Vortragsweisen und methodischen Zugänge der jeweiligen anderen Disziplinen kennenzulernen.

Wie unterscheidet sich das Arbeiten am LeipzigLab von anderen Teams?

Respekt vor der Arbeitsweise der anderen Disziplinen, Offenheit beim Austausch mit anderen, das Überschreiten von Fächergrenzen bei gleichzeitig flachen Hierarchien und dem Einbeziehen aller Statusgruppen in alle Veranstaltungsformate sind wichtige Alleinstellungsmerkmale unserer Arbeit. Sie sind Grundvoraussetzung für den interdisziplinären Dialog und dafür, dass sich aus ersten, zum Teil etwas verrückten Ideen abseits des mainstreams spannende Forschungsfragen und Verbundprojekte entwickeln können. Weiterhin ist die Auseinandersetzung mit und Forschung über Interdisziplinarität und die Reibungsflächen, welche interdisziplinäre Arbeitsweisen erzeugen können, ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit im LeipzigLab, genauso wie eine kritische Reflexion der Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen interdisziplinärer Zusammenarbeit.

Welche besonderen Herausforderungen mussten Sie überwinden, um die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Forschungsteams und Fachbereichen zu ermöglichen?

Zeit ist auch im Uni-Alltag ein wichtiges Gut. Und deshalb ist es wichtig, trotzdem die Geduld aufzubringen, andere Fächerkulturen kennenzulernen, sich mit der Literatur einer völlig anderen Disziplin zu beschäftigen, einem ohne Folien vorgetragenen Vortrag aufmerksam zuzuhören, obwohl im eigenen Fach Powerpoint-Folien der Standard sind. Das mag alles trivial klingen, aber wenn diese Dinge nicht funktionieren, können interdisziplinäre Projekte wie das LeipzigLab sehr leicht scheitern. In diesem Kontext wird oft die Notwendigkeit der Entwicklung einer „gemeinsamen Sprache“ erwähnt, die Voraussetzung für ein erfolgreiches Zusammenarbeiten in interdisziplinären Kontexten sein sollte. Das ist für uns weniger zentral. Wichtiger sind die Fähigkeiten, Toleranz gegenüber anderen Fächerkulturen zu zeigen und offen zu sein. Weiterhin ist es besonders wichtig, den Postdocs und anderen akademisch jungen Wissenschaftler:innen besonders viel Unterstützung zu bieten, da das Arbeiten an und über die Fächergrenzen hinaus in diesem Karrierestadium besonders herausfordernd ist.

Weiterhin bietet das LeipzigLab vielfältige Möglichkeiten, sich mit anderen Wissenschaftler:innen innerhalb der Universität Leipzig und von anderen Forschungsinstituten in und um Leipzig zu vernetzen.

Wie fördert das Netzwerk den Wissensaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Forscher:innen?

Postdocs sind ein fester Bestandteil des LeipzigLabs. Sie können entweder als fortgeschrittener Postdoc eine AG leiten oder sie werden im Rahmen einer AG angestellt. In diesem Kontext lernen sie andere Disziplinen kennen und kommen mit einer Reihe verschiedener Forschungsthemen und Methoden in Berührung, die sie für Ihre eigene Tätigkeit heranziehen können. Ihre durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit erworbenen Kenntnisse bringen sie nicht nur in die grundständige Lehre an ihren Fakultäten ein, sondern sie unterrichten gemeinsam mit den Postdocs der anderen AGs  das im LeipzigLab entwickelte Modul „Werkstatt Interdisziplinarität“ für fortgeschrittene Studierende aller Fachrichtungen. Wichtig ist es, Nachwuchswissenschaftler:innen so vorzubereiten, dass sie im interdisziplinären Forschen und Lehren geschult sind, gleichzeitig aber an ihrer Profilschärfung arbeiten können, denn das deutsche akademische System ist nach wie vor wenig offen für Wissenschaftler:innen, die keinen klassisch disziplinären Lebenslauf vorweisen können, also nicht einschlägig sind. Hier ist es wichtig, ein realistisches Bild zu vermitteln, über die oft längere Zeit, die interdisziplinäres Arbeiten erfordert und die Herausforderung, eine Fachzeitschrift zu finden, die Ergebnisse interdisziplinärer Projekte veröffentlicht. Weiterhin bietet das LeipzigLab vielfältige Möglichkeiten, sich mit anderen Wissenschaftler:innen innerhalb der Universität Leipzig und von anderen Forschungsinstituten in und um Leipzig zu vernetzen.